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Allein vor dem Löwen

Ein kleines Mädchen widersteht dem NS-Regime

Erschienen am 31.12.2002
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9782879539881
Sprache: Deutsch
Umfang: 448 S., 15 s/w Fotos, 15 s/w Zeichng., 50 Illustr.
Format (T/L/B): 2 x 22.8 x 15.2 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Allein vor dem Löwen, die Autobiographie von Simone Arnold Liebster, verleiht den namenlosen Opfern der Nationalsozialisten wieder Individualität und Identität. Sie beschreibt ihre Entschlossenheit, an dem festzuhalten, was von ihrem normalen Leben übrig blieb, und um ihr psychisches und physisches Überleben zu kämpfen. Ihre Geschichte zeugt von Hoffnung, Stärke und Mut. Simones Geschichte hebt den Mut hervor, den sie trotz der Härten und der Tragik der NS-Zeit aufbringen konnte, um ihre sozialen und religiösen Werte zu bewahren. Man soll diese Geschichte lesen, da sie uns ermöglicht, das Los der Kinder von Zeugen Jehovas während des Holocausts zu verstehen. Die Stimmen derer, die uns authentisch über die NS-Zeit berichten können, werden immer weniger. Umso wichtiger ist es, wenn uns die Zeitzeugen ihre Berichte als geschriebenes Wort überreichen und so einen Teil der Erinnerung bewahren. Dieses Buch legt Zeugnis ab für die Gedankenwelt einer Zeugin Jehovas - als Kind von den Nazis verfolgt. Es ist die Basis für ein Verständnis ihres Handelns, ohne das historische Forschung undenkbar wäre. Hans Hesse, Historiker

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Hersteller:
Editions Schortgen Sarl
Lena Schortgen
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LU 4995 Schouweile

Autorenportrait

SIMONE ARNOLD LIEBSTER wurde am 17. August 1930 geboren und verbrachte ihre Kindheit im französischen Elsaß. Simone überlebte die Ära der religiösen Verfolgung unter den Nationalsozialisten während des zweiten Weltkriegs. Im Jahre 1989 wurde Simone Mitglied des Cercle Européen des Témoins de Jéhovah Anciens Déportés et Internés (CETJAD) einer europaweiten Vereinigung von Zeugen Jehovas, die die Verfolgung der Nationalsozialisten überlebten. In Verbindung mit der Tätigkeit des CETJAD, hat sie zahlreiche Vorträge in der Öffentlichkeit gehalten. Bei Konferenzen, die vom Europäischen Parlament organisiert wurden, hat sie zum Thema Menschenrechte referiert, unter anderem beim Europarat in Brüssel. Sie hat als Gastrednerin in mehr als 50 Städten in Frankreich, Deutschland, Belgien, Spanien, der Schweiz, Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika ihre Erfahrungen vor Pädagogen, Studenten und anderer Interessenten dargelegt.

Leseprobe

Die Autobiografie von Simone Liebster, geb. Arnold, ist die ergreifende Geschichte ihrer persönlichen Suche nach Glauben und Identität, die sie in ihrer Kindheit zu schwerwiegenden gesellschaftlichen, politischen und religiösen Entschlüssen führte. Im Jahr 1930 in Mülhausen/Elsass geboren, damals noch Frankreich zugehörig, wuchs Simone Arnold Liebster in den 30er Jahren in der Geborgenheit einer erweiterten und eng miteinander verbundenen katholischen Familie auf - in einem Jahrzehnt politisch sozialer Unruhen und Unsicherheit. In dieser überwiegend katholischen Umgebung war religiöser Konformismus die Norm. Im Jahr 1938 konvertierte Emma Arnold, Simones Mutter, trotz Widerstand der Familie zur Glaubensüberzeugung der Zeugen Jehovas. In der Folge wurde auch Simones Vater, Adolphe Arnold, als Zeuge Jehovas getauft. Simone bekehrte sich noch als Kind im Jahr 1941. Elsass und Lothringen standen zwischen 1871 und 1918 unter deutscher Herrschaft, kehrten bis Mitte Juni 1940 wieder in den französischen Zuständigkeitsbereich, wonach das gesamte Gebiet wieder dem Deutschen Reich angegliedert wurde. Mit fast sofortiger Wirkung zwangen die Deutschen allen Untertanen ihre gesellschaftlichen und politischen Wertvorstellungen auf, wodurch eine große Anzahl der sogenannten Unerwünschten, darunter auch die Zeugen Jehovas, ausgegrenzt wurden, da für sie in der neuen Ordnung der Deutschen kein Platz vorhanden war. Deutsch wurde wieder zur Landessprache erklärt. Aufgrund der Zerrüttung von sozialen Bindungen innerhalb der Gesellschaft mussten sich Nonkonformisten von nun an sogar vor Denunziation durch Nachbarn fürchten. Simones Vater wurde am 4. September 1941 festgenommen, weniger als einen Monat nachdem sich Simone als Zeugin hatte taufen lassen. Da das Gehalt des Vaters bei seiner Festnahme beschlagnahmt und sein Bankkonto gesperrt wurde und weil der Mutter eine Arbeitserlaubnis verweigert wurde, sahen sich Simone und ihre Mutter von immer größer werdenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedroht. In den folgenden zwei Jahren sicherten sich Simone und ihre Mutter durch kleine Arbeiten ihren Lebensunterhalt. Nach seiner Festnahme wurde Simones Vater zunächst im Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck in Labroque eingesperrt. Dieses Lager war Mitte Juli 1940 zur Internierung von Personen errichtet worden, von denen anzunehmen ist, dass sie durch ihr Verhalten das deutsche Ansehen in diesem Gebiet stören werden und um schwererziehbare[n] Elemente[n] die richtige Einstellung zur Arbeit und politischen Ordnung des Großdeutschen Reiches beizubringen. Die Liste der sogenannten Unerwünschten und schwer erziehbaren Elemente folgte den üblichen Kategorien, welche die Deutschen in allen besetzten Gebieten einführten, wozu auch Jehovas Zeugen gehörten. Da es ihnen aus Glaubensgründen nicht gestattet war, irgendeinem Staat unbedingten Gehorsam zu zollen, mussten Zeugen in Elsass und Lothringen die gleiche Verfolgung über sich ergehen lassen, wie sie andere Zeugen schon seit 1933 im nationalsozialistischen Deutschland erlebten. Simones Vater, Adolphe Arnold, wurde spatter von Schirmeck nach Dachau und dann weiter nach Mauthausen-Gusen verschleppt und letztendlich, im Mai 1945, aus Ebensee, dem Außenlager des KZ Mauthausen, befreit. Da sich Simone nach 1941 nicht dem Verhalten ihrer Klassenkameraden anpasste, den Hitlergruß verweigerte und nicht dem Bund Deutscher Mädel beitrat, sah sie sich in der Schule zunehmender körperlicher und seelischer Einschüchterung ausgesetzt. Von Einschüchterung und Repressalien waren schulpflichtige Zeugen Jehovas sowohl im nationalsozialistischen Deutschland als auch in den angeschlossenen Gebieten Elsass/Lothringen betroffen. Wenn Kinder von Zeugen sich weigerten, der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel beizutreten oder sich sonst wie den Normen des nationalsozialistischen gesellschaftlichen oder politischen Verhaltens entgegenstellten, sorgten die Schulbehörden dafür, dass den Eltern das Sorgerecht entzogen wurde und die Kinder in Erziehungsanstalten geschickt wurden. Über 500 solcher minderjährigen Zeugen Jehovas im nationalsozialistischen Deutschland wurden nach formellen Gerichtsverfahren ihren Eltern entrissen. Simones Autobiografie erlaubt uns einen genauen Einblick in den Alltag solcher Kinder, die während der Kriegsjahre in einer nationalsozialistischen Erziehungsanstalt leben mussten. Den Eltern wurde das Sorgerecht entzogen und die Verbindung zu ihren Kindern unterbunden, sobald sich ein Kind unmoralisch oder unehrenhaft verhielt, das heißt nicht gemäß nationalsozialistischen Richtlinien. Schulbehörden, Polizei, Jugendämter und Landgerichte entschieden, dass Eltern, die Jehovas Zeugen waren, das Wohl ihrer Kinder gefährdeten, weil sie sich den Normen eines nazifizierten Schulsystems und einer nazifizierten Gesellschaft nicht anpassten. Das Schicksal dieser von ihren Eltern getrennten Kinder ist uns selten im Detail vermittelt worden. Simone Arnold Liebsters Memoiren helfen uns, die Erlebnisse solcher Kinder besser zu verstehen. Simone Arnold wurde körperlich und seelisch brutal misshandelt, unter Druck gesetzt und anschließend aus der Schule verwiesen, weil sie sich diesem Druck nicht beugte. Im Alter von 12 Jahren wurde sie der mütterlichen Fürsorge entrissen und zwangsweise der Wessenbergschen Erziehungsanstalt in Konstanz übergeben. Ohne jeglichen Kontakt zu den Eltern wurde Simone Arnold einer Welt der Verfolgung preisgegeben, der sie gezwungenermaßen ihre Jugend opfern musste, um überleben zu können. Kindheit und Jugend sind gewöhnlich eine Zeit des Wachstums und der Entfaltung. Für die Kinder jedoch, die in die Falle der Naziherrschaft gerieten, spielte sich das Leben in einer verdrehten Welt ab, einer Welt schrumpfender Horizonte und des Terrors. Anderen Opfern der Nationalsozialisten, die sonst anonym bleiben, verleiht die Autobiografie von Simone Arnold Liebster Identität und Individualität. Auch offenbart sie ihre große Willensstärke, die es ihr ermöglicht hat, einem unmöglichen Alltag jede erdenkliche Normalität abzugewinnen, um körperlich und seelisch überleben zu können. Es ist eine Geschichte von Hoffnung, Stärke und Mut. Trotz aller Härten und Tragik der nationalsozialistischen Zeit beschreibt uns Simone Liebster ihren Mut im Kampf um die Bewahrung ihrer sozialen und religiösen Wertvorstellungen. Eine Geschichte, die es wert ist, gelesen zu werden, und die uns hilft, das Schicksal von Kindern von Zeugen Jehovas während des Holocaust besser zu verstehen. Sybil Milton, ehem. Historikerin des US Holocaust Memorial Museum, Frühjahr 2000

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