Beschreibung
Das von Rudolf Stammler formulierte "richtige Recht" war der Versuch, die nach Hegels Tod unter dem Druck des naturwissenschaftlichen Paradigmas in Mißkredit geratene Rechtsphilosophie neu zu konstruieren, ohne sich dem Vorwurf der metaphysischen Spekulation auszusetzen. Die Kontroverse um Stammlers erkenntniskritische Auflösung der Richtigkeitsfrage führte zu materialen Ansätzen, mit denen gegenüber Stammlers formaler Rechtsidee bedingte und inhaltsvolle Maßstäbe als richtiges Recht formuliert wurden. Aus dem Spektrum der um 1900 vorliegenden Konzepte werden jene untersucht, die auf den Entwicklungsgedanken und den Kulturbegriff rekurrieren. Neben naturwissenschaftlich geprägten Ansätzen Merkels und Liszts findet insbesondere das idealistisch-neuhegelianische Denken Kohlers und Berolzheimers Berücksichtigung. Die Orientierung am entwicklungsgeschichtlichen und kulturellen Kontext führt zu einer Öffnung des Rechts gegenüber vermeintlich voraussetzungslos der Wirklichkeit entnehmbaren Strukturen und Inhalten, ohne daß die Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung reflektiert wird.