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Der Ruf der Sirene

Roman

Erschienen am 14.12.2010
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442375325
Sprache: Deutsch
Umfang: 415 S.
Format (T/L/B): 3 x 18.2 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Verführung, Magie und Gefahr Mit seiner magischen Stimme könnte der Wassermann M’Cal Wunderbares erschaffen, doch er unterliegt dem Bann einer Hexe und verbreitet auf ihren Befehl hin Unheil und Verderben. Als er die Seele der schönen und hochbegabten Geigerin Kitala stehlen soll, gerät der erbarmungslose Fiesling selbst in Gefahr, denn anstatt Kitalas Leben zu nehmen, verliebt er sich in sie. Und sein Verrat entfacht nicht nur den Zorn seiner Herrin, sondern könnte ihn mehr als nur sein Leben kosten …

Autorenportrait

Marjorie M. Liu ist eine außergewöhnlich optimistische junge Frau, die fest daran glaubt, allem im Leben mit einem Lächeln begegnen zu können. In ihrer Freizeit betreibt sie einen Taxiservice für Pudel.

Leseprobe

IN SICHERHEIT?
Ein Schatten bewegte sich. Dutch ließ Kit los. Eine Pistole erschien in seiner Hand. Sie trat einen Schritt zurück, er aber machte keinerlei Anstalten, nach ihr zu greifen. Keiner der Männer versuchte es. Sie starrten in die Dunkelheit, während ihre Hände zu den Waffen unter ihren Hemden glitten. Kit trat einen weiteren Schritt zurück, und dann noch einen. Aber sie rannte nicht. Sie konnte es einfach nicht. Sie hörte Musik. Irgendjemand sang.
Ein Mann löste sich von dem Container. Kit sah sein Gesicht nicht, aber das spielte jetzt auch keine Rolle. Sie lauschte seiner Stimme: Es war, als würde sie in einer rauen See voll von stillem Donner Mozart hören - die Finsternis als Lied. Sie wollte mit ihrer Geige gegen diesen klagenden Gesang anspielen und sich dann vielleicht hinlegen und sterben. Denn wenn dies hier endete, nachdem dies vorbei war, wäre nichts mehr so wie vorher. Nichts würde mehr eine Rolle spielen. Kit fühlte sich vernichtet, so als hörte sie, wie ihr Herz brach, während sie sich verliebte, beides zur selben Zeit; ein Gefühl, so unmöglich, so furchtbar und wunderbar zugleich, dass sie schreien und weinen wollte.
Sie sagte, ihr Name sei Elsie, und dass sie eine Pistole in ihrem Auto habe.
Ein albernes Geständnis, weder als Schuldbekenntnis noch aus Angeberei gemacht. Nur die Wahrheit, ausgesprochen von einer Frau, die viel zu ängstlich für irgendwelche Tricks war. M'cal konnte ihre Furcht während der kurzen Verhandlung über Preis und Dauer in jedem Wort spüren. Er wusste, ohne einen Grund dafür nennen zu können, dass es ihre erste Begegnung mit der Art von Mann war, für den sie ihn hielt. Ein Prostituierter, ein Fremder von der Straße. Und auch wenn ihr seine Dienste wichtiger waren als ihre Sicherheit - M'cal wirkte groß und stark und hätte sie mit den bloßen Händen verletzen können.
M'cal war das alles aber völlig gleichgültig. Seine Kraft einzusetzen würde einfach sein, falls es dazu käme. Er vermutete allerdings, dass es nicht dazu kommen würde. Eingezwängt saß er auf dem engen Beifahrersitz von Elsies kleinem rotem Jetta, seine Beine verkrampft, eine Schulter gegen die regennasse Seitenscheibe gepresst. Er war einfach zu groß für dieses Auto. Er musste sich verbiegen, um sie nicht zu berühren, auch nicht aus Versehen. M'cal wollte sie nämlich nicht berühren. Sogar auf gar keinen Fall. So lange nicht, bis er es würde tun müssen.
Er erwartete, dass Elsie mit ihm sprechen werde. Die meisten Frauen in ihrer Situation taten dies. Er hatte sich an die Aufmerksamkeit gewöhnt, die seine Position als Objekt der Begierde mit sich brachte. Er hatte auch gelernt, es als eine weitere Bestrafung zu akzeptieren, die er ertragen musste. Aber Elsie sagte überhaupt nichts, und ihr Schweigen kam M'cal sehr merkwürdig vor.
Er blickte zur Seite, sah ihr sanftes Gesicht und ihren vollen Mund, unregelmäßig beleuchtet durch die vorbeigleitenden Straßenlaternen. Hübsch, stämmig, blass. Das war keine Frau, die für Sex bezahlen musste. Sie gehörte nicht zu der Art von Frauen, die für Sex bezahlen wollten.
Und sie war auch keine Frau, die jung sterben wollte.
M'cals Handgelenk schmerzte. Er bewegte das silberne Armband, das auf seiner Haut scheuerte. Das Metall war warm, ein leichtes Prickeln strahlte von seinen Fingern bis in seine Knochen aus. Es wurde noch schlimmer, als er die erhabene Gravierung berührte.
Elsie machte ein leises Geräusch; es klang atemloser als ein Schluckauf, schien aber genauso unfreiwillig zu sein. Schnell schloss sie ihren Mund wieder, sah M'cal an und sagte: 'Ich habe gar nicht nach deinem Namen gefragt.'
'Nein', antwortete er ruhig. 'Die meisten tun das nicht.'
Sie wandte ihren Blick wieder von ihm ab, zurück auf die Straße. 'Wie heißt du?'
M'cal zögerte. 'Michael.'
'Michael', wiederholte sie, ihre Stimme zitterte vor Furcht. 'Wie lange machst du das schon?'
...

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