Beschreibung
Sei vorsichtig mit deinen Wünschen a" diesen Rat hat eine junge Frau lange beherzigt. Als Kind hatte sie im Zorn darum gebeten, ihre Mutter solle verschwinden. Kurz darauf kam diese tatsächlich bei einem Autounfall ums Leben. Nach dieser traumatischen Erfahrung ist das Innere der Frau wie gefroren, und noch als Erwachsene hält sie die Welt stets auf Distanz. Bis sie das Opfer eines Blitzschlags wird und durch dieses Ereignis einen jungen Mann kennen lernt: An seiner Seite beginnt die eisige Kruste um ihr Herz langsam zu schmelzen ...
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Autorenportrait
Alice Hoffmann wurde 1952 in New York geboren und wuchs auf Long Island auf - in einem Umfeld, in dem Frauen für gewöhnlich Friseurinnen, Sekretärinnen oder Ehefrauen wurden und in dem ihre Eltern die einzigen waren, die ein College besucht hatten. Ein Studium hatte Alice nie für sich in Betracht gezogen, doch erste Erfahrungen mit dem Arbeitsleben stacheln ihren Ehrgeiz an. Sie besucht die Universität und erhält schließlich ein Stipendium für das Creative Writing Center an der Stanford University. Mit 25 Jahren veröffentlicht sie ihren ersten Roman - 14 weitere folgten. Ihr Roman "Im Hexenhaus" wurde unter dem Titel "Zauberhafte Schwestern" mit Nicole Kidman, Sandra Bullock und Diane Wiest höchst erfolgreich verfilmt. "Die Tochter der Amazone" ist ihr erster großer Jugendroman. Alice Hoffman, von Entertainment Weekly in die Liste der "100 kreativsten Persönlichkeiten der Unterhaltungsbranche" aufgenommen, lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in der Nähe von Boston.
Leseprobe
Schnee I Mit Wünschen sollte man vorsichtig sein. Das weiß ich aus Erfahrung. Wünsche sind grausam und gnadenlos. Sie verbrennen einem die Zunge, wenn man sie ausspricht, und lassen sich nicht mehr ungeschehen machen. Erst prügeln und verbrennen sie einen, dann kehren sie wie böse Geister endlos wieder. Ich habe in meinem Leben zu viele Wünsche ausgesprochen, den ersten schon mit acht Jahren. Es waren nicht etwa Wünsche, in denen ein Eis vorkommt oder ein hübsches Kleid oder lange blonde Haare; nein. Ich meine die Art von Wünschen, die einem in die Glieder fahren und im Hals stecken bleiben, gierige rote Kröten, die einen so lange würgen, bis sie ausgesprochen werden. Wünsche, die das Leben so schnell für immer verändern, dass man sich nicht einmal wünschen kann, sie wären einem nie eingefallen. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort, aber fängt so nicht jede Geschichte an? Der Fremde, der in die Stadt kommt und Unheil anrichtet. Der Mann, der an seinem Hochzeitstag von einer Klippe stürzt. Die Frau, die ans Fenster tritt und von einer Kugel, einem Glassplitter oder einem blau schimmernden Eiszapfen getötet wird. Ich war das Kind, das mit dem Fuß aufstampfte, einen einzigen Wunsch aussprach und damit den Untergang der Welt heraufbeschwor - meiner Welt jedenfalls. Der einzigen, die für mich zählte. Natürlich war ich selbstsüchtig, aber halten sich nicht die meisten achtjährigen Mädchen für die Herrscherin des Universums? Sind sie nicht diejenigen, die den Lauf der Sterne und die Gezeiten lenken? Machen sie nicht das Wetter? Wenn ich abends die Augen schloss, glaubte ich, dass die ganze Welt stillstand. Ich glaubte, dass ich das, was ich haben wollte, auch bekommen sollte. Dass ich das, was ich mir wünschte, auch verdient hatte. Im Januar sprach ich meinen Wunsch aus, in einer eisigen Zeit, als unser Haus kalt blieb, weil niemand die Rechnung fürs Heizöl bezahlen konnte. Am 16. Januar, dem Geburtstag meiner Mutter. Wir hatten keinen Vater mehr, mein Bruder und ich. Er war verschwunden, hatte uns nur seine dunklen Augen als Erbe hinterlassen, nichts weiter. Wir brauchten unsere Mutter. Vor allem ich war der Ansicht, dass sie kein Recht auf ein eigenes Leben hatte. Ich hegte einen Groll gegen alles, was sie in Anspruch nahm: Rechnungen, die bezahlt werden mussten, wechselnde Jobs, schmutziges Geschirr, Wäscheberge. Ständig war irgendetwas zu erledigen. Nie war man fertig. An jenem Abend wollte meine Mutter ausgehen, um ihren Geburtstag mit ihren beiden besten Freundinnen zu feiern. Das passte mir überhaupt nicht. Es hörte sich nach Spaß an. Sie war im Bluebird Diner verabredet, einem schäbigen Lokal, in dem es gute Roastbeef-Sandwiches und Pommes mit Soße gab. Nur ein paar Stunden für sich, um ein bisschen zu feiern. Das war mir ganz egal. Vielleicht war mein Vater selbstsüchtig, und ich hatte außer den dunklen Augen auch diesen Charakterzug von ihm geerbt. Ich wollte, dass meine Mutter zu Hause blieb und mir meine hüftlangen Haare flocht. Wenn ich mit ungeflochtenen Haaren ins Bett ging, verhedderten sie sich, und das machte mir Angst, weil mein Bruder mir erzählt hatte, dass auf dem Dachboden Fledermäuse wohnten. Ich fürchtete mich davor, dass sie nachts in mein Zimmer geflogen kamen und sich in meinen Haaren einnisteten. Ich wollte auch nicht mit meinem Bruder alleine zu Hause bleiben. Er beachtete mich nie. Naturkunde war ihm wichtiger als Menschen. Wir stritten wegen allem, auch dem letzten Keks in der Dose, den wir oft gleichzeitig zu fassen kriegten. Lass los! Nein, du! Und nicht selten zerbrach dann das, woran wir zerrten, in tausend Stücke. Ned hatte keine Zeit für die Spinnereien seiner kleinen Schwester; damit er mir vorlas, musste ich ihn bestechen. "Ich übernehm deine Haushaltspflichten. Ich geb dir mein Geld für das Pausenbrot. Aber lies mir vor." Meine Mutter hatte für meine Einwände kein Ohr. Sie war beschäftigt. Sie hatte es eilig. Sie zog ihren Regenmantel an und legte ei ...