Beschreibung
Tod unterm Rosenstrauch: psychologische Höchstspannung aus Schweden Hingebungsvoll pflegt Eva ihren Rosengarten. Idylle pur scheint sie zu umgeben: der Duft von Blumen, die Liebe ihrer Familie, ein wohl geordnetes Leben. Wobei ihr die Pflanzen insgeheim oft mehr am Herzen liegen als die Menschen in ihrer näheren Umgebung. Aber das weiß sie gut zu verbergen. Als sie jedoch von ihrer Enkelin zum 56. Geburtstag ein Tagebuch geschenkt bekommt, beginnt die Reise in eine Welt voller Alpträume. Eine Welt, die sie längst vergessen glaubte. Und in der mehr als nur ein Hund begraben liegt .
Autorenportrait
Maria Ernestam, geboren 1959, begann ihre Laufbahn als Journalistin. Sie hat lange Jahre als Auslandskorrespondentin für verschiedene schwedische Zeitungen in Deutschland gearbeitet, daneben eine Ausbildung als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin absolviert. Mittlerweile sind sieben hoch gelobte Romane von ihr erschienen. Für "Die Röte der Jungfrau" erhielt sie den Französischen Buchhändlerpreis. "Der geheime Brief" und "Das verborgene Haus" waren in Skandinavien Bestseller und standen auch in Deutschland wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Maria Ernestam lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Stockholm.
Leseprobe
'Habe ich dir von den Walen erzählt? Nein? Dann will ich dir jetzt von den Walen im Eismeer erzählen. Wie sie sich lieben.Wir Menschen gehen aufrecht. Wir strecken unseren Rücken so gut wir können und heben unseren Blick zu dem blauen Himmel, der über uns ist. Dann setzen wir einen Fuß vor den anderen, immer und immer wieder. Das ist unsere Art, uns auf das Ziel zuzubewegen, das wir uns ausgedacht haben, wenn wir uns ein Ziel ausgedacht haben und nicht einfach nur ziellos umherlaufen. Eigentlich spielt das keine Rolle, denn die Bewegung ist die gleiche. Ein Fuß vor den anderen und in aufrechter Haltung. Vergiss das nicht.Die großen Wale im Eismeer dagegen, die kämpfen mit ihren Flossen in den Wellen und tummeln sich in den großen Wassermassen herum und lassen sich von allen Seiten umspülen. Sie brauchen keinen Fuß vor den anderen zu setzen, sie können mit eleganten Bewegungen die Schwanzflosse den Körper dorthin lenken lassen, wohin sie wollen. Wenn Wale sich bewegen, um vorwärtszukommen, sind es also keine erbärmlichen Füße, die als Erstes kommen, sondern es ist der große Kopf. Die Wale liegen, wenn sie sich vorwärtsbewegen. Auch das darfst du nicht vergessen.Wenn die Menschen einander lieben, liegen sie auch dabei. Dann können sie ihren Liebsten ansehen, dessen innerste Gedanken erforschen, das Unausgesprochene entdecken und es in Reales verwandeln. Die Menschen berühren sich mit den Händen, wenn sie einander lieben. Wenn alles gut und schön ist, können sich zwei Menschen zu etwas vereinen, das größer ist als sie selbst. Auch das ist wichtig, dass du das nicht vergisst.Wenn zwei Wale sich in Liebe vereinen, legen sie sich nicht hin. Wir Menschen können das auf viele Kilometer Entfernung sehen. Zwei gewaltige Wesen, die sich aus dem Wasser erheben, die feuchte Atemluft, die in einem prustenden Jubel der Lust herausspritzt, die Körper, die dicht aneinandergepresst sind. Die Wale im Eismeer lieben sich stehend und können sich deshalb während des Liebesakts nicht in die Augen sehen, da die Augen an den Seiten des tropfenden, riesigen Kopfes platziert und nach hinten gerichtet sind. Sie können also nicht hinauf zu den Sternen sehen, die den Himmel betupfen oder die Geheimnisse des anderen mit dem Blick erforschen. Die Wale können einander auch nicht mit ihren Flossen umarmen, doch ihre Leidenschaft ist groß genug, um Hunderte von Tonnen vibrieren zu lassen. Wie sollen wir Menschen, die nicht einmal eine erbärmliche Tonne wiegen, mit unseren begrenzten Möglichkeiten uns vorstellen, wie groß, wie umfassend diese Liebesvereinigung ist?Und wenn die Wale schließlich voneinander weggleiten, dann sinken sie zurück ins Eismeer, erfüllt und unterworfen, umringt von Wasser. Die Wale erwachen zu einem neuen Leben, indem sie untergehen.' JUNI 13. Juni Ich war sieben Jahre alt, als ich beschloss, meine Mutter zu töten. Doch ich musste siebzehn werden, bevor der Beschluss in die Tat umgesetzt werden konnte.Und allein der Gedanke daran lässt mich schon ehrlicher schreiben, als ich es seit langem getan habe, faktisch ehrlicher als jemals zuvor. Es ist eine Weile her, seit ich Ansichtskarten geschrieben habe, und noch länger, seit ich Briefe schrieb, die etwas bedeuteten, und ein Tagebuch habe ich nie geführt. Sie haben mich immer getäuscht, all diese Worte, die mir im Kopf herumschwirren, und die Gedanken, die so groß und originell erschienen, solange ich sie eingesperrt hielt, und die dann herauskullerten und starben, sobald sie auf dem Papier landeten. Als hätten sie schon auf der kurzen Reise von innen nach außen verdorren können.Wenn ich doch ausnahmsweise einmal versuchte, meine Gedanken in Druckbuchstaben zu fassen, ließ mich der Unterschied zwischen dem Großen und dem Kleinlichen den Stift schließlich wieder fallen lassen wegen all der Dinge, die nichts mit den Tatsachen zu tun hatten. Butter und Eier, Tomaten und Radieschen. Der Zahnarzt, vergiss nicht, ihn anzurufen. Deshalb mag es vielleicht pathetisch sein, im Alter von sechsundfün Leseprobe