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Das dunkle Schiff

Roman

Erschienen am 01.12.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442739073
Sprache: Deutsch
Umfang: 440 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 18.7 x 11.9 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Kerim, von Beruf Koch, macht sich aus dem irakischen Grenzland auf die beschwerliche und gefährliche Reise nach Europa. Er war unter Gotteskrieger geraten und mit ihnen durch das Land gezogen, bevor er sich entschied, vor ihrem Weg der Gewalt zu fliehen. Kerim versucht, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen, und findet in dem fremden Land seine erste Liebe. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht abschütteln. Seine Heimat fängt ihn wieder ein, als die Gotteskrieger ihn in Deutschland aufspüren und für seine Flucht bestrafen.

Autorenportrait

Sherko Fatah wurde 1964 in Ost-Berlin als Sohn eines irakischen Kurden und einer Deutschen geboren. Er wuchs in der DDR auf und siedelte 1975 mit seiner Familie über Wien nach West-Berlin über. Er studierte Philosophie und Kunstgeschichte. Für sein erzählerisches Werk hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Großen Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste und den Adelbert-von-Chamisso-Preis 2015, außerdem den Aspekte-Literaturpreis für den Roman 'Im Grenzland'. Er wurde mehrfach für den Preis der Leipziger Buchmesse (2008 mit 'Das dunkle Schiff', 2012 mit 'Ein weißes Land') nominiert und mit 'Das dunkle Schiff' auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2008 gewählt.

Leseprobe

Es war ein Sommertag, heiß, aber doch so windig, dass man es nicht wirklich spürte. Wolkenschatten eilten dunkel über die Ebenen und Hänge, als schwebten Luftschiffe durch den tiefblauen Himmel. Vielleicht war es der schönste Tag seines Lebens, nicht des leichten Lichtes und des sanften Windes wegen, nein, an diesem späten, saumselig vergehenden Tag verspürte er ein erstes Mal die tiefe Ruhe, welche die Schönheit gewährt, und erfuhr zugleich ihre Vergeblichkeit. Um diese Jahreszeit zogen die alten Frauen hinaus, um Heilkräuter zu sammeln. Sie wussten, wann sie für welches Gewächs an einen bestimmten Ort zu gehen hatten. Weit mussten sie nicht hinaufsteigen, nur auf die Hügel. Dort sah er sie, eine kleine Kolonne, die wie so oft schon den nie ganz überwucherten Pfaden folgte. Sie sprachen und lachten laut, hier draußen waren sie endlich ganz unter sich, für ein paar Stunden fern von Räumen und Regeln. Hätten sie umhergeschaut, auch ihnen wäre die Unberührbarkeit der wilden Gräser, der Dolden und der warmen Steine aufgefallen. Doch sie schwenkten ihre Körbe, und ihre farbenfrohen Gewänder wehten im Wind, sie waren zu sehr miteinander beschäftigt. Fast beneidete er sie darum, so selbstvergessen hineingestellt zu sein in den Tag, der wie ein riesiges, geöffnetes Fenster um sie stand. Er lief ihnen nach, als sie hinter den Hügeln verschwanden, nur einfach, um sie weiterhin zu sehen, winzig, doch nicht verloren, und blieb auf dem Hügel stehen. Er fühlte nicht mehr die Abgeschiedenheit hier draußen, nicht mehr die raue Einöde, er sah die Landschaft wie eine geöffnete Hand. Er atmete schwer. Ich bin noch ein Kind, dachte er kurz, meine Lungen sind nicht weit genug für diesen Tag. Und selbst wenn sie es wären, so ahnte er, dann könnte ich doch niemals weit genug in ihn hineingehen. Die Frauen hatten sich in der Ferne verteilt und mit dem Sammeln der Kräuter begonnen. Wie ein schwaches Echo, von den Felsen mehr verschluckt als zurückgeworfen, erhob sich das Geräusch. Es war ein Helikopter, angestrahlt vom späten Licht, das selbst seine Tarnfarbe fröhlich erscheinen ließ. Er beschirmte seine Augen mit der Hand und blickte hinauf. Er sah den Haupt- und den Heckrotor und vernahm das anschwellende Donnern. Doch nichts, auch nicht diese Maschine war fähig, den tiefen Frieden über den Hügeln zu stören. Der Helikopter flog vorüber, kam zurück und zog einen weiten Kreis über ihm. An der offenen Seitenluke kauerten zwei Soldaten, einer winkte ihm zu. Alles konnte geschehen an diesem Tag, und so winkte er ohne Furcht zurück. Der Helikopter zog seine Bahn und sank unwirklich langsam zur Erde nieder. Im Geheimen hatte er den Kinderwunsch verspürt, und nun wurde er wahr; er landete, weit entfernt zwar, aber er landete. Vielleicht nehmen sie mich mit, war sein nächster Gedanke, vielleicht kann ich mit ihnen fliegen. Er lief los, winkend und rufend, scharfkantige Steine und spitze Distelsträucher waren in seinem Weg, doch nichts ließ ihn stolpern, und nichts stach ihn. Weit vor ihm wurde der Helikopter eingehüllt von aufgewirbeltem Sand, trockene Halme segelten durch die Luft. Es ist zu weit, ich schaffe es nicht, dachte er, als er die beiden Soldaten herausspringen und geduckt zu den Frauen hinüberlaufen sah. Diese hatten ihre Körbe abgestellt, die Hände in die Hüften gestützt oder an die Stirn gelegt und blickten den Männern entgegen. Er sah, wie die Soldaten sie zum Helikopter trieben, sah es undeutlich durch den Staub, und da blieb er stehen. Ich schaffe es nicht, dachte er noch einmal bedauernd, doch tröstete ihn, dass es überhaupt geschehen war, das ganz und gar Außergewöhnliche. Er stand und sah sie abheben, ruckartig erst, dann unaufhaltsam, wie in den Himmel gezogen, bis sie die Staubwolke unter sich ließen. Ganz leicht legte sich der Helikopter auf die Seite und flog erneut seine weite Kurve, schraubte sich allmählich höher und höher, bis er befreit im Himmel dahinschwamm. Er blickte ihnen nach und winkte wieder. Und tatsächlich kam die M Leseprobe
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