Beschreibung
Die Rückkehr der Kannibalen Vor elf Jahren wurde Sheriff George Peters Zeuge, wie eine Gruppe verwilderter Kannibalen über Touristen herfiel. Inzwischen ist Peters im Ruhestand, doch als an der Küste von Maine erneut Leichen von Urlaubern entdeckt werden, wird er zu den Ermittlungen hinzugezogen. Die Wilden sind zurück - die Jagd beginnt von Neuem.
Autorenportrait
Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Er gilt heute als einer der absoluten Meister des Horror-Genres. 2011 wurde er zum Grand Master der World Horror Convention ernannt. Er erhielt fünfmal den Bram Stoker Award, sowie 2015 den Lifetime Achievement Award der Horror Writers Association.
Leseprobe
12. Mai 1992 0.25 Uhr Verdreckt und mit Mondschein besprenkelt, stand sie unter den wippenden Ästen des Baumes neben dem Haus und starrte durch das offene Fenster. Hinter ihr drängelten die anderen. Sie berührte das Fliegengitter. Es war locker. Alt. Sie rieb Daumen und Zeigefinger aneinander und spürte den feinen Rostgrind. Sie konzentrierte sich auf das Mädchen drinnen. Sein süßlicher Blumenduft überlagerte den Geruch der muffigen Couch, auf der es lag, und sogar das Aroma der fettgetränkten weißen Körner in der Schüssel neben ihm. Das Mädchen roch nach Moschus. Nach Urin und nach Wildblumen. Das Mädchen hatte Brüste und langes dunkles Haar. Es war älter als sie. Und trug enge Sachen. Die werden hinderlich sein. Die Jungen drängelten stärker, wollten auch etwas sehen. Sie ließ es geschehen. Sie sollten wissen, was dort drinnen lag. Aber wenn es losging, würde sie die Führung übernehmen. Die Jungen waren unerfahren und brauchten Anleitung. Was sie hier taten, war neu für sie. So wie die Hiebe mit der Birkenrute. Dafür würden sie jetzt umso genauer hinschauen. Sie spürte, wie der Diamant ihr über die Brust strich, die kühle Goldfassung, die an der knotigen Schnur baumelte. Die Nacht war still. Zikaden zirpten in der Senke. Sie beobachteten das Mädchen, das nichtsahnend dem Geplapper lauschte, das aus dem flackernden Licht kam. Und plötzlich, als hätte sie ein kollektiver Geistesblitz getroffen, spürten sie einen Moment lang die Gegenwart des Babys, das dort oben ganz allein in der Dunkelheit schlief -in ihrer Dunkelheit, der Dunkelheit der Anführerin. Sie stellten sich vor, wie das Baby aussah, wie es roch. Sie brauchten nur abzuwarten. Eine einzige Wolke musste sich vor den Mond schieben. 1.46 Uhr Verdammt noch mal, Nancy! Im Haus brannten wieder alle Lichter. Unten jedenfalls. Sie fuhr den Buick-Kombi rückwärts in die Einfahrt. Das Mädchen muss glauben, ich sei ein Goldesel. Bestimmt laufen auch die Anlage und der Fernseher und die Cola ist auch leer. Sie war nur ein kleines bisschen betrunken. Der rechte Hinterreifen rutschte vom Kiesbett und walzte drei der letzten Tulpen nieder, die am Rasenrand zu überleben versuchten. Zum Teufel damit, dachte sie. Sie war auch schon nüchtern in die Blumen gefahren, mehr als einmal. Sie stellte den Motor ab. Schaltete die Scheinwerfer aus. Sie blieb einen Moment sitzen und dachte an Dean, wie er am Tresen gehockt und sie ignoriert hatte. Wie ihr gottverdammter Scheißkerl von einem Ehemann seinen Whiskey gesoffen und durch sie hindurchgestarrt hatte, als wäre sie ein Geist. Aber so war Dean eben. Entweder bekam man gar nichts von ihm oder mehr, als man jemals gewollt hatte. Nichts zu bekommen, war die bessere Variante. Aber es war demütigend. Und typisch war es auch. Denn ob man mit ihm zusammenlebte oder nicht, er demütigte einen immer. Er machte sich einen Spaß daraus. Sie atmete tief durch, um die Wut verrauchen zu lassen, öffnete die Tür und griff nach der Handtasche, in deren Seitenfach der 32er-Revolver lag. Den hatte sie neuerdings immer dabei. Für den Fall, dass Dean noch einmal versuchen sollte, sie zu verprügeln. So wie letzten Freitag im Caribou. Sie stieß sich vom Lenkrad ab und stieg aus. Es war mühsamer, als es hätte sein sollen. Nach der Geburt des Babys hatte sie nicht mehr ihr früheres Gewicht zurückerlangt. Das Bier tat sein Übriges. Die Handtasche hing ihr schwer am Arm. Dean, dieser Dreckskerl. Sie schlug die Wagentür zu. Das Ding schloss nicht mehr richtig. Muss ich reparieren lassen, dachte sie. Und wovon, bitte schön? Seit Dean sie sitzen gelassen hatte, war kaum genug Geld da, um sie und das Baby zu ernähren - und sich außerdem einmal in der Woche einen Babysitter zu leisten. Aber mit der Hausarbeit und dem Job am Hals hatte sie sich diesen einen Abend pro Woche - Kino und danach einige Drinks im Caribou - einfach verdient. Das Baby war endlich alt genug, um ein paar Stunden ohne sie überstehen zu können. Aber als Bedienung ve Leseprobe