Beschreibung
"Gold! Gold in rauen Mengen!" - wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht von den sagenhaften Goldfunden in den eisigen Weiten Alaskas. Tausende Männer verlassen ihre Heimat, um ihr Glück zu suchen - einer von ihnen ist Jack London. Ein ungemein spannender dokumentarischer Roman, der von der Euphorie des Aufbruchs und der Suche nach dem Glück, vom großen amerikanischen Mythos und seinem raschen, vollständigen Scheitern erzählt.
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
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Autorenportrait
Michael Klein, geboren 1960 in Gifhorn, Niedersachsen. Er studierte Philosophie, Germanistik und Publizistik in Münster. Seit 1995 Redakteur des Literaturjournals Lesart. Mehrere Rundfunkfeatures, u.a. über Jack London, Michelangelo Antonioni und Alfred Hitchcock.
Leseprobe
Am Strand von Dyea, wo Zelt an Zelt, Proviantstapel an Proviantstapel, Ausrüstungsberg an Ausrüstungsberg, aufgetürmte Kisten an aufgetürmten Kisten, Säcke an Säcken, Ballenhaufen an Ballenhaufen liegen, ist der Teufel los. Der Strand von Dyea war ein kreischendes Irrenhaus. Zehntausend Tonnen Ausrüstung lagen aufgehäuft und verstreut, und zweimal zehntausend Mann rangen damit herum und machten Geschrei. Jeder war jedem im Wege, und keiner verfehlte, das der Welt mit aller Kraft seiner Lungen zu verkünden. Manchmal identifizierten zwei oder drei Leute ein und denselben Gegenstand als zu ihrer Ausrüstung gehörig, und schon gab es handgreiflichen Streit. Urplötzlich sah man sich mitten aus der Zivilisation gerissen und mitten in urzeitliche Verhältnisse hineingeschleudert. Und die Düsternis des subarktischen Winters kam mit jedem Tag näher. Alle wußten es, und alle wußten, daß von den zwanzigtausend von ihnen nur wenige über die Pässe kommen sollten, während die übrigen hier überwintern und auf das Tauwetter des späten Frühlings warten mußten. Die Atmosphäre von Dyea und des sechs Kilometer entfernten Skagway - auch hier hat vor wenigen Wochen nur ein einziges Haus gestanden, und auch hier drängeln sich mittlerweile Menschenmassen, Pferde, Hunde auf immer enger werdendem Raum - ist erfüllt von Hast, von hektischer, konfuser Betriebsamkeit. Alles muß schnell, am liebsten noch schneller gehen, und weil alles schnell gehen muß, steht jeder jedem im Weg. Auf den überfüllten Schiffen, an den mit Menschen vollgepackten Stränden ist noch dem letzten unausweichlich klargeworden, daß der Weg zum Gold ein purer Wettlauf ist. Gewiß, das Gold liegt in rauhen Mengen wie auf dem Präsentierteller am Klondike, man muß es nur aufheben. Aber schon auf einem einzigen Schiff treiben sich Hunderte herum, die das gleiche Ziel haben und verwegen, vielleicht viel verwegener als man selbst, in die Gegend blicken; der Strand von Dyea ist hoffnungslos überfüllt, und wer ankommt, sieht als erstes unmittelbar diejenigen vor sich, die bereits weiterziehen, in Richtung der Pässe, viele mit Unterstützung von Trägern und Pferden oder gar Pferdewagen. Was nützt es, als tausendster oder fünftausendster an den Klondike zu kommen, wenn die 999 oder 4999 Schnelleren bereits das Gold in ihre Waschpfannen schaufeln und sich die besten Stellen unter den Nagel gerissen haben? Ja, der Weg zum Gold ist nichts anderes als ein Wettlauf, den man gewinnen muß, und jede kleinste Zeitverzögerung kann entscheidend sein. Die Panik, es nicht früh genug zu schaffen, sitzt den Männern im Genick, und in dieser inneren Aufgewühltheit ist kein Platz für Rücksicht oder kühles Räsonieren. Nur vorankommen! Weiter! Weiter! Schneller!Mitten im Getümmel von Dyea stehend, blicken Jack London, Shepard und die Gefährten hinauf zu den nebelverhüllten Bergesgipfeln. Vierzig Kilometer gilt es zu überwinden, dann haben sie den Paß überquert, und das Schlimmste, heißt es, liegt hinter ihnen. Und sie sehen die Männer mit ihren Packen auf dem Rücken aufbrechen und sehen die vollbeladenen Pferde und Pferdewagen durch die schlammigen Wege Dyeas ihre Spur ziehen. Vierzig Kilometer im ganzen, und von diesen vierzig Kilometern, wenn man sie doch offenbar mit Pferden und Pferdewagen angehen kann, scheinen viele nicht besonders strapazenreich zu sein. Jeden hier in Dyea drängt es zum Aufbruch - daß nicht jeder sofort aufbrechen kann, hat andere Gründe als die des Zögerns oder Rastens. Manch einer hat seine Nahrungsvorräte oder Ausrüstung noch nicht komplett beisammen und verdingt sich derweil als Lastenträger, Packer oder Pferdefüh Leseprobe