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Zehn oder fünfzehn der glücklichsten Momente des Lebens

Roman

Erschienen am 03.02.2003
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552052239
Sprache: Deutsch
Umfang: 336 S.
Format (T/L/B): 3.1 x 20.9 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Alice Valentine, die resolute und geliebte Direktorin einer Schule im Westen Englands, ist unheilbar krank und kämpft darum, ihr Leben in Würde zu beenden. Alec, ihr jüngerer Sohn, fühlt sich als Versager, besonders im Vergleich zu seinem Bruder Larry, der als Tennisstar nach Amerika gegangen ist und immerhin eine Hauptrolle in einer "soap opera" gespielt hat. Dass er inzwischen in schmuddeligen Pornofilmen spielt und seine Familie auseinanderzubrechen droht - davon wissen Mutter und Bruder nichts. Mit diesem Familienroman erweist sich Andrew Miller einmal mehr als einzigartiger Chronist des menschlichen Herzens und der menschlichen Seele.

Autorenportrait

Andrew Miller wurde 1960 in Bristol (Großbritannien) geboren und lebt heute in Somerset. Bei Zsolnay sind u.a. erschienen: Die Gabe des Schmerzes (1998), wofür er den Impac Dublin Literary Award bekam, Friedhof der Unschuldigen (2013), ausgezeichnet mit dem Costa Book of the Year Award und Die Korrektur der Vergangenheit (2023).

Leseprobe

Im haus schlugen die Uhren seines Vaters die Stunde. Schwach drangen die Klänge zu der Stelle hinaus, wo er im Garten stand, ein schlanker junger Mann in Sommerpullover und formloser blauer Hose, der sich mit der Ecke eines zerknüllten Taschentuchs die Brillengläser putzte. Er hatte die vergangene Stunde damit zugebracht, mit dem Schlauch die Blumenbeete zu sprengen und den Boden um die jüngeren Bäume herum gründlich zu wässern, wie man es ihm aufgetragen hatte. Nun ging er, nachdem er den Schlauch sorgfältig zusammengerollt hatte, zurück in Richtung Haus, beschattet von einer Katze, die sich zwischen den Stengeln der Rittersporne, Pfingstrosen und des orientalischen Mohns hindurchschob. Oben im Haus schien das Licht in Alices Zimmer trübe zwischen halbgeöffneten Vorhängen hervor. Es war in der Abenddämmerung des dritten Tages seit seiner Rückkehr nach Brooklands, in das Haus im West Country mit seinen grauen Steinmauern, dem braunen Ziegeldach und dem verfallenden Gartenhaus, wo er die ersten achtzehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Seine eigene kleine Wohnung in London war verschlossen, und sein Nachbar, Mr. Bequa, dessen Kleidung eine ganz eigene Atmosphäre von schwarzem Tabak und mißglückten Kochversuchen ausdünstete, hatte sich bereit erklärt, ihm die Post nachzuschicken, obwohl da nicht viel zu erwarten war. Bequa war sogar auf die Straße heruntergekommen, um ihn zu verabschieden, und hatte dies, weil er wußte, wohin Alec fuhr und warum, mit ausufernd melancholischer Geste getan - »Auf Wiedersehen, lieber Alec! Nur Mut! Auf Wiedersehen!« Wandsworth Bridge, Parsons Green, Hammersmith. Dann auf der M4 Richtung Westen, vorbei an vorstädtischen Supermärkten und Rapsfeldern. Eine Fahrt, die er, seit Alices Krankheit diagnostiziert worden war, so oft gemacht hatte, daß er die ganze Strecke häufig wie abwesend zurücklegte und ganz verblüfft war, wenn er bei der Geflügelfarm um die letzte Ecke bog und sich der Himmel vor ihm in leuchtenden Schichten zur Flußmündung und nach Wales hin absenkte. Diesmal jedoch war ihm, während jeder vertraute Orientierungspunkt im Rückspiegel kleiner geworden und schließlich verschwunden war, alles unwiederbringlich erschienen, und als er seinen Koffer in den Eingangsflur von Brooklands trug, hatte er mit absoluter Sicherheit gewußt, daß dies seine letzte wahre Heimkehr war und daß demnächst eine Hälfte seines Lebens wegbrechen würde wie Tonnen von Erde bei einem Erdrutsch. Eine Viertelstunde lang stand er da, umgeben von der formlosen Masse von Mänteln und Hüten, alten Stiefeln und alten Tennisschuhen, und starrte das überscharfe Foto an, das an der Wand neben der Zwischentür hing: er selbst, Larry und Alice - Stephen mußte es aufgenommen haben - Arm in Arm im verschneiten Obstgarten, vor zwanzig Jahren. Und er hatte den Kopf geneigt, als er von oben das Gedudel aus dem Radio seiner Mutter und ihr rasselndes Husten hörte, und sich gefragt, was ihm eigentlich Halt geben könnte. Wo um alles in der Welt er Trost und Erleichterung finden könnte.Vom Garten her gelangte man über ein paar moosbewachsene Stufen, die vom Rasen auf die Terrasse führten, und durch die Glastür zur Küche ins Haus. Hier, auf der abgetretenen Fußmatte, zog Alec seine Schuhe aus und ging durch das Haus zur Treppe, wobei er hoffte, daß Alice schon eingeschlafen war und ihn nicht brauchte. Sie hatte sich geweigert, sich im Erdgeschoß ein Zimmer herrichten zu lassen, obwohl alle - Dr. Brando, die Gemeindeschwester Una O'Connell und sogar Mrs. Samson, die, solange Alec zurückdenken konnte, einen Vormittag in der Woche kam, um das Haus Leseprobe

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