0
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783570010228
Sprache: Deutsch
Umfang: 335 S.
Format (T/L/B): 3.3 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Authentisch und engagiert: Jürgen Todenhöfer hat unter gefährlichsten Bedingungen vor Ort recherchiert In der Geschichte des jungen Widerstandskämpfers Zaid spiegelt sich die Geschichte eines Volkes wider, das für seine Freiheit und Würde kämpft. Jürgen Todenhöfer begegnet Menschen, die gegen die Besatzungstruppen und den Terror von Al-Qaida kämpfen. Er trifft den 22-jährigen Zaid, der in diesem Krieg fast alles verloren hat, und der sich wie die Mehrheit der irakischen Bevölkerung dem Widerstand angeschlossen hat, und erzählt seine erschütternde Geschichte. Das Buch tritt an gegen die milliardenschwere Propaganda-Maschinerie der US-Administration, die ein verzerrtes Bild der Lage im Irak zeichnet. Jürgen Todenhöfer will der Wahrheit eine Chance geben - und der Gerechtigkeit für ein gequältes Volk.

Produktsicherheitsverordnung

Hersteller:
Bertelsmann, C. Verlag Penguin Random House Verlagsgruppe Gm
ann.schnoor@penguinrandomhouse.de
Neumarkterstr. 28
DE 81673 München

Leseprobe

»Ismahuli« - »Zugehört«, ruft der kleine, alte Märchenerzähler in der Teestube Al-Nofara in Damaskus und schlägt mit seinem breiten Schwert auf einen hochbeinigen schwarzen Metallschemel. Einige Gäste zucken zusammen, die meisten rücken lachend ihre Stühle zurecht. Es dämmert in Damaskus, überall gehen die Lichter an. Auch im Al-Nofara. Die Teestube liegt in der Nähe der Grabstätte Saladins, eines der größten muslimischen Helden, im Schatten der 1300 Jahre alten Omaijaden-Moschee. Sie ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Syrer jeden Alters, aber auch einige Touristen aus Frankreich und England, trinken aus kleinen Gläsern schwarzen Tee mit frischen Pfefferminzblättern. An der Holzwand gegenüber dem Eingang sitzt in einem grün-rot-gold bemalten Holzsessel, leicht erhöht durch ein Podest, Abu Shadi, der Märchenerzähler von Damaskus. Er ist angeblich der letzte echte »Hakkawati« der arabischen Welt. Wie in alten Zeiten in Syrien üblich, trägt er eine hellgraue Saderiah, eine Art Gehrock, mit gleichfarbigem Hemd und Pluderhosen. Ein etwa fünfzehn Zentimeter breiter, rot-silbern gemusterter »Kummerbund« umspannt sein Bäuchlein. Auf dem Kopf trägt er einen roten Fez, in Syrien »Tarbouch« genannt, der seinem zerknitterten Gesicht manchmal etwas Erhabenes gibt. »Ismahuli«, ruft er ein zweites Mal und beginnt mit lauter, melodischer Stimme aus einem großen schwarzen Buch die uralte Legende von Antar bin Shaddat, dem Sklaven, zu erzählen. Gespannt folgt das Publikum seiner gestenreich vorgetragenen Geschichte, antwortet lachend auf seine Fragen und freut sich, wenn er die Erzählung von Zeit zu Zeit schelmisch blickend mit einem kleinen Scherz oder einer Anekdote unterbricht. Oft muss Abu Shadi über seine Zuhörer und über sich selbst lachen. Dann rutscht ihm seine große Metallbrille fast über die Nasenspitze. Die Idee mit den Anekdoten hat er, wie er mir später erzählt, dem früheren Generalsekretär der KPdSU, Nikita Chruschtschow, abgeschaut. Der habe seine endlosen Reden auch immer mit Scherzen aufgelockert. Wenn Abu Shadi findet, dass seine Gäste nicht aufmerksam genug zuhören, schlägt er mit seinem stumpfen Schwert krachend auf den Metallschemel, und schon sind alle Augen und Ohren wieder bei ihm. Mit leuchtendem Blick folgen ihm die Zuhörer auf seine Reise in die Vergangenheit. Es ist, als ob er sie auf einem fliegenden Teppich in ein fernes Wunderland entführte - weit weg vom grauen Alltag der syrischen Hauptstadt Damaskus. Doch plötzlich ertönt aus Abu Shadis Brusttasche ein recht unromantisches Handyklingeln, und schon landen alle ganz unvermittelt wieder im Hier und Jetzt. Schmunzelnd bittet Abu Shadi den ungebetenen Anrufer aus der Gegenwart, zu einem späteren Zeitpunkt anzurufen - er befinde sich gerade weit weg auf einer wichtigen Reise. Das Publikum prustet vor Lachen. Mit einem Schwertschlag stellt Abu Shadi die Ruhe wieder her und nimmt seine Zuhörer erneut mit auf seinen Märchenflug in die ruhmreiche Vergangenheit Arabiens. Er fährt fort, die Geschichte des Sklaven Antar zu erzählen, der durch heldenhaften Kampf die heiß ersehnte Freiheit erlangt. Erzählt Abu Shadi die Geschichte der arabischen Völker? Vor mir liegt das Manuskript meines Buches, das ich vor wenigen Tagen beendet habe. Es ist die Geschichte des jungen Irakers Zaid, der ebenfalls für seine Freiheit, für die Freiheit seines Volkes kämpft. Ob Zaids Geschichte genauso gut ausgehen wird wie die Legende von Antar dem Sklaven, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht genau, warum ich nochmals zu Abu Shadi, dem Hakkawati von Damaskus, wollte, bevor ich mein Manuskript abgebe. Irgendwas zog mich fast magisch in die schummrige Teestube zurück, in der ich schon vor zwei Jahren seinen Märchen gelauscht hatte. Ich wollte noch einmal die strahlenden Augen seiner Zuschauer sehen, wenn er von den Heldentaten längst vergangener Zeiten berichtet. Ich mag diesen alten Mann, den sein Vater als Kind immer in die Cafés der Märchenerzähler mitschleppte und dessen große