Beschreibung
In der momentanen Krise wächst das gesellschaftliche Unbehagen am Kapitalismus. Viele Menschen fragen jetzt nach einer menschlicheren Alternative des Zusammenlebens. Eine Gesellschaft jenseits von Maximen wie Profit, Konkurrenz und Besitzdenken - ist das möglich? Michael Hardt und Antonio Negri, Autoren des Bestsellers 'Empire', entwickeln in ihrem neuen großen Werk einen provozierend optimistischen Gesellschaftsentwurf. Dieser beruht nicht mehr auf dem neoliberalen Gegensatz von Privatbesitz und öffentlichem Eigentum, sondern auf der Idee des Gemeinsamen ('common'). Ressourcen wie Wasser, Luft und Pflanzen und immaterielle Güter wie Wissen und Information gehören uns allen. Wenn wir sie teilen, wird der Weg frei für eine gerechtere Gesellschaft, an der alle partizipieren können. Im Streit um das politische Profil des 21. Jahrhunderts bieten die Autoren ein zentrales Gegengewicht zu all jenen, die uns weismachen wollen, dass die derzeitige Politik- und Wirtschaftsform die einzig mögliche sei.
Autorenportrait
Antonio Negri war nach seiner Flucht 1983 aus Italien Professor für Philosophie an der Sorbonne. 1997 kehrte er nach Italien zurück und wurde erneut inhaftiert. Im Herbst 2003 wurde er freigelassen und lebt heute als freier Autor in Rom. Michael Hardt ist Professor für Literaturwissenschaft an der Duke University Durham, N. C., in den USA. Mit ihrem Bestseller 'Empire' (auf Deutsch bei Campus 2002 erschienen) wurden sie weltweit bekannt.
Leseprobe
Vorwort: Die Menge wird zum Fürsten Die Nationen haben immer nur den Grad der Freiheit inne, den ihr Mut ihrer Angst abringt. Stendhal, Napoléon Bonaparte Power to the peaceful. (Alle Macht den Friedfertigen.) Michael Franti, "Bomb the World" Krieg, Leid, Elend und Ausbeutung bestimmen mehr und mehr unsere globalisierte Welt. Es gibt heute viele Gründe, sich "herausziehen" und an einen Ort flüchten zu wollen, den die Disziplin und die Kontrolle des entstehenden Empire nicht erreichen, oder sich gar ein paar transzendente oder transzendentale Prinzipien und Werte zu suchen, die dem Leben als Orientierung und dem politischen Handeln als Begründung dienen können. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Globalisierung ist allerdings, eine gemeinsame Welt geschaffen zu haben, eine Welt, die wir wohl oder übel teilen, eine Welt ohne "Außen". Egal, wie brillant und pointiert wir sie auch kritisieren mögen, uns bleibt - das müssen wir mit ein wenig Nihilismus anerkennen - keine Wahl, als in dieser Welt zu leben, ihren Herrschaftsstrukturen unterworfen und zudem angesteckt von ihrer Korruption. Vergessen wir all die Träume von politischer Reinheit und "höheren Werten", die es uns erlauben würden, Beobachter zu bleiben! Das nihilistische Einverständnis soll freilich nur ein Werkzeug sein, ein Durchgangspunkt auf dem Weg zu einem Gegenprojekt, zu einer Alternative. In diesem Buch werden wir ein solches ethisches Projekt entwerfen, eine Ethik der demokratischen politischen Aktion im und gegen das Empire. Wir untersuchen, was die Bewegungen und die Verhaltensweisen der Menge, der Multitude, waren und was sie werden können, um die gesellschaftlichen Verhältnisse und institutionellen Formen einer möglichen globalen Demokratie zu entdecken. "Zum Fürsten zu werden" heißt dabei der Prozess, in dem die Multitude die Kunst erlernt, sich selbst zu regieren und nachhaltige demokratische Formen gesellschaftlicher Organisation zu schaffen. Eine Demokratie der Multitude ist nur vorstellbar und überhaupt nur möglich, weil wir alle am Gemeinsamen teilhaben. Das Gemeinsame, das Kommune, ist zunächst einmal der Name für den gemeinsamen Reichtum der materiellen Welt - die Luft, das Wasser, die Früchte der Erde und die Schätze der Natur -, also für etwas, von dem in klassischen politischen Texten der europäischen Tradition häufig gesagt wird, es gehöre zum Erbe der gesamten Menschheit, auf dass alle an ihm teilhaben. Das Gemeinsame bezeichnet nach unserem Verständnis darüber hinaus und wichtiger noch all jene Ergebnisse gesellschaftlicher Produktion, die für die soziale Interaktion ebenso wie für die weitergehende (Re-)Produktion erforderlich sind, also Wissensformen, Sprachen, Codes, Information, Affekte und so weiter. Ein solcher Begriff des Gemeinsamen trennt die Menschheit nicht von der Natur, stellt sie ihr weder als Ausbeuterin noch als Hüterin gegenüber, sondern konzentriert sich vor allem auf die Verhaltensweisen der Interaktion, der Sorge und des Zusammenlebens in einer gemeinsamen Welt sowie darauf, die vorteilhaften Formen des Gemeinsamen zu fördern und die abträglichen zu begrenzen. Im Zeitalter der Globalisierung rücken Fragen der Erhaltung, der Produktion und Distribution des Gemeinsamen in beiden Ausprägungen und sowohl unter ökologischen als auch unter sozioökonomischen Aspekten zunehmend in den Mittelpunkt. Die Scheuklappen der herrschenden Ideologie erschweren es heute, das Gemeinsame zu sehen und zu erkennen, auch wenn es uns allgegenwärtig umgibt. Die weltweit herrschende neoliberale staatliche Politik war in den vergangenen Jahrzehnten darum bemüht, das Gemeinsame zu privatisieren und gesellschaftliche oder kulturelle Erzeugnisse - also beispielsweise Wissen, Ideen, aber auch bestimme Tier- oder Pflanzenarten - in Privateigentum zu verwandeln. Wir sagen - und sind uns dabei mit vielen anderen einig -, dass man solchen Privatisierungen Widerstand entgegensetzen muss. Nach landläufiger Meinung allerdings wäre die einzige
Inhalt
Inhalt Vorwort: Die Menge wird zum Fürsten Teil I: Republik (und die Multitude der Armen) 1. Die Republik des Eigentums Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in der Politik o Republikanisches Recht auf Eigentum o Sapere aude! 2. Produktive Körper Von der Marx''schen Kritik des Eigentums ... o ... zur Phänomenologie der Körper o Das Verschwinden der Körper im Fundamentalismus 3. Die Multitude der Armen Die Menge oder die Multitude: Die Bezeichnung der Armen o Wer hasst die Armen? o Armut und Macht De corpore 1: Biopolitik als Ereignis Teil II: Moderne (und die Landschaften einer anderen Moderne) 1. Die Gegenmoderne als Widerstand Macht und Widerstand in der Moderne o Sklaverei in der modernen Republik o Die Kolonialität der Biomacht 2. Ambivalenzen der Moderne Marxismus und Moderne o Sozialistische Entwicklung o Calibans Bruch mit der Dialektik 3. Altermodernität Über die Gegenmoderne hinaus o Die Multitude in Cochabamba o Bruch und Konstitution De homine 1: Biopolitische Vernunft Teil III: Kapital (und die Kämpfe um das Gemeinsame) 1. Metamorphosen der Kapitalzusammensetzung Die technische Zusammensetzung der biopolitischen Arbeit o Biopolitische Ausbeutung o Die Krise der biopolitischen Produktion und Kontrolle 2. Klassenkampf - von der Krise zum Exodus Das offene gesellschaftliche Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital o Gespenster des Kommunen o Korruption und Exodus 3. Vom kairos der Multitude Was eine Multitude vermag o Der gemeinsame Charakter der Multitude o Vom Sein zum Schaffen der Multitude De singularitate 1: Von Liebe besessen Intermezzo Eine Macht, das Böse zu bekämpfen Teil IV: Das Empire kehrt zurück 1. Kurze Geschichte eines gescheiterten Staatsstreichs Lasst die Toten die Toten begraben o Die Erschöpfung der amerikanischen Hegemonie o Was ist ein Dollar wert? 2. Nach der US-Hegemonie Interregnum o Imperiale Governance o Ein neuer Wettlauf um Afrika 3. Genealogie der Rebellion Die Revolte haucht der Geschichte Leben ein o Anthropologie des Widerstands o Geografien der Rebellion De corpore 2: Metropole Teil V: Jenseits des Kapitals? 1. Bedingungen des wirtschaftlichen Übergangs Neoliberale Zombies o Sozialistische Illusionen o Die globale Aristokratie und die imperiale Governance 2. Was vom Kapitalismus übrig bleibt Der biopolitische Zyklus des Gemeinsamen o Das Tableau economique des Gemeinsamen o Eins teilt sich in zwei 3. Vorbeben an den Bruchlinien Die Prognose für das Kapital o Exodus aus der Republik o Seismische Nachrüstung: Ein Reformprogramm für das Kapital De homine 2: Überschreitet die Schwelle! Teil VI: Revolution 1. Revolutionäre Parallelität Identitätspolitik im Fegefeuer o Revolution ist etwas Monströses o Revolutionäre Assemblagen 2. Aufrührerische Intersektionen Reaktionäre Intersektionen: Krisen und Thermidore o Demokratische Entscheidungsfindung? o Insurrektion und Institution 3. Die Revolution steuern Das Problem des Übergangs o Revolutionäre Gewalt o Konstituierende Governance De singularitate 2: Das Glück instituieren Anmerkungen Danksagung Personenregister
Schlagzeile
Die Antwort auf die Krise des Kapitalismus