Beschreibung
Die digitalen Medien verändern unsere Lese- und Schreibgewohnheiten sowie die Art, wie wir recherchieren und archivieren. Um auch computer- und internetbezogene Phänomene erforschen zu können, müssen die Kulturwissenschaften ihre Fragestellungen und ihr methodisches Spektrum stetig weiterentwickeln. Die Verbindung von digitalen und nicht-digitalen Verfahren spielt dabei eine besondere Rolle. Der Band bietet exemplarische Einblicke in Forschungen zu kommunikativen Kulturtechniken aus sprach-, didaktik- und geschichtsbezogenen Disziplinen der Kulturwissenschaften.
Autorenportrait
Jana Klawitter, M.A., promoviert an der Universität Gießen. Henning Lobin ist dort Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik und Geschäftsführender Direktor des ZMI. Torben Schmidt ist Juniorprofessor für Englische Didaktik an der Universität Lüneburg.
Leseprobe
Der vorliegende Band möchte zeigen, wie sich auch in den Kulturwissenschaften durch die fortschreitende Digitalisierung und die zunehmende Digitalität von Inhalten Fragestellungen verändern und neue Forschungsmethoden erschlossen werden. Seit der Entwicklung der ersten Computer in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich ein technologischer Wandel vollzogen, der in allen Lebensbereichen den Umgang mit Information beeinflusst. Stand zunächst die Automatisierung von Berechnungsvorgängen im Vordergrund, konnten Computer bald auch Symbole verarbeiten und wurden so der Sprach- und Textverarbeitung zugänglich. In einem zweiten Schritt vollzog sich die Digitalisierung verschiedener Medien, die nicht direkt an die Schrift gebunden sind wie Bild, Ton oder Film und deren Integration in dem allumfassenden digitalen Medium. Der dritte Schritt schließlich ist markiert durch den globalen Siegeszug des Internets, der Computer zu vernetzten Kommunikationsgeräten machte. Diese drei durch die Digitalisierung induzierten technologischen Entwicklungen - Automatisierung, Medienintegration und Vernetzung - wirken sich in kulturtheoretisch relevanter Weise auf die kulturelle Praxis des Umgangs mit Informationen aus. Die Automatisierung von Zeichenverarbeitungsprozessen hat zur Hybridität kultureller Prozesse geführt, also zur Verschmelzung von menschlichem und maschinellem Handeln. Aus der Möglichkeit der technischen Integration verschiedener Medien in digitalen Speichersystemen resultiert außerdem, dass von vornherein Artefakte geschaffen werden, die sich durch Multimodalität auszeichnen, also durch die Kombination medial unterschiedlich repräsentierter Zeichensysteme. Die Vernetzung schließlich hat die Möglichkeit geschaffen, Produktions- und Rezeptionsprozesse zu entwickeln, bei denen zeitliche und räumliche Beschränkungen der Kollaborativität aufgehoben sind.Die durch die Digitalisierung bewirkten kulturellen Verschiebungen - Hybridität, Multimodalität und Kollaborativität - lassen sich besonders gut an fundamentalen Kulturtechniken wie etwa dem Lesen und Schreiben nachzeichnen. Als Kulturtechniken können erlernbare, kulturell vermittelte Fertigkeiten verstanden werden, die mit der Erschaffung oder Nutzung von Zeichen unterschiedlicher Komplexität zu tun haben. Der Begriff der Kulturtechniken bezieht sich auf ein semiotisches Verständnis von Kultur, nach dem die Kultur einer Gesellschaft in ähnlicher Weise verstanden wird wie das Sprachvermögen des Menschen - die Kultur umgibt die Mitglieder einer Gemeinschaft wie eine Sprache, in der Orientierung, Werte und Wissen gespeichert und vermittelt werden. Die Kulturtechnik des Lesens war lange Zeit darauf beschränkt, von Menschen ausgeübt zu werden. Erst der Computer stellt dieses kulturelle Monopol in Frage und heute kombinieren wir ganz selbstverständlich das dem Menschen eigene intellektuelle, semantische Lesen mit dem oberflächlichen, syntaktischen, aber außerordentlich schnellen Lesen des Computers. Eine Suchmaschine ist eigentlich nichts anderes als eine Lesemaschine, mit deren Hilfe wir unsere zeitliche Begrenztheit im Leseprozess zu überwinden suchen. Lesen ist damit zu einer hybriden Kulturtechnik geworden. Auch das, was wir lesen, hat sich verändert: Die technische Möglichkeit, schnell und billig Illustrationen zu erstellen, Bildmaterial in Text zu integrieren und derartige multimodale Texte als Print-Produkte oder online publizieren zu können, hat die Multimodalität der textbasierten Kommunikation in den letzten Jahren nachweislich erhöht. Besonders deutlich wird dies in der Kommunikationsform der Präsentation: Die mithilfe von Präsentationsprogrammen erstellten "Folien"-Sätze enthalten sehr oft Visualisierungen, bei denen die Textstruktur durch grafisch-geometrische Elemente ergänzt oder ersetzt wird. Auch in Zeitschriften und wissenschaftlichen Lehrbüchern ist diese Tendenz zu beobachten. Der Leser ist dadurch veranlasst, andere Rezeptionsstrategien anzuwenden und dabei weitere Zeichensysteme mit der sprachlich-textuellen Modalität zu verbinden. Schließlich sind mit der Vernetzung verschiedene kollaborative Formen des Lesens, oft in Verbindung mit Schreibprozessen, entstanden, etwa in Blogs, Wikis oder Sozialen Netzwerken. Analog zu den Veränderungen der Kulturtechnik des Lesens haben sich auch die des Schreibens entwickelt: Schreibprozesse werden durch den Computer maschinell unterstützt, gleichen oftmals multimodalen Produktionsprozessen, die kaum noch im Sinne der traditionellen Kulturtechnik des Schreibens verstanden werden können, und vollziehen sich immer häufiger kollaborativ. All diese Veränderungen werden derzeit in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Dabei stehen vor allem Fragen der Bildung, der Datensicherheit, des Persönlichkeitsschutzes oder der sozialen Implikationen im Vordergrund. Die Diskussion der Auswirkungen auf die Wissenschaft und im Besonderen auf die Kulturwissenschaften wird allenfalls in fachlichen Zirkeln geführt. Zwar erlebt die Digitalisierung unter dem Stichwort "Digital Humanities" gerade eine gewisse Konjunktur, doch erscheinen die damit verbundenen Forschungsfragestellungen und Methoden immer noch als abgelegen und für die eigentliche kulturwissenschaftliche Arbeit als nicht wirklich relevant.Mit dem vorliegenden Sammelband soll verdeutlicht werden, dass die Digitalisierung der Kulturwissenschaften sowohl die Seite der Methodik als auch die des wissenschaftlichen Gegenstandes umfasst und dass diese einander bedingen. In allen Beiträgen werden Forschungsfragen und Forschungsmethoden integriert dargestellt und von vornherein aufeinander bezogen. Grund dafür ist unsere Überzeugung, dass die Digitalisierung der Kulturwissenschaften selbst als ein kultureller Transformationsprozess zu verstehen ist, der mittelfristig zu neuen Gewichtungen und Schwerpunktsetzungen im Gefüge der Kulturwissenschaften führen wird.
Inhalt
InhaltVorwort7Kulturwissenschaftliche Forschung - Einflüsse von Digitalisierung und InternetJana Klawitter, Henning Lobin, Torben Schmidt9I. Geschichtswissenschaft und LiteraturwissenschaftSammlungsordnungen und Wissenskonstruktion im Kontext von InstitutionengeschichteAntje Coburger33Dichte Beschreibung als Analysemethode im Kontext der EditionsphilologieAndreas Grünes55Die Medialisierung des Erzählens - narratologische und intermediale Erzähltext- und MedienanalyseRebecca Hagelmoser, Sabrina Kusche, Jonas I. Meyer, Ansgar Nünning73II. Sprachlehrforschung, Psychologie und LinguistikFremdsprachenlernen in der virtuellen Welt - Gewinnung und Analyse von VideodatenKatrin Biebighäuser95Eye Tracking as a Method to Assess the Readability of Visual Display UnitsMatteo Valsecchi117Korpuslinguistische Analyse von Mehrworteinheiten in englischsprachiger InternetkommunikationSven Saage, Viktoria Künstler, Joybrato Mukherjee135Linguistische Annotationen für die Analyse von Gliederungsstrukturen wissenschaftlicher TexteHarald Lüngen, Mariana Hebborn155Autorinnen und Autoren177Index183
Informationen zu E-Books
„E-Book“ steht für digitales Buch. Um diese Art von Büchern lesen zu können wird entweder eine spezielle Software für Computer, Tablets und Smartphones oder ein E-Book Reader benötigt. Da viele verschiedene Formate (Dateien) für E-Books existieren, gilt es dabei, einiges zu beachten.
Von uns werden digitale Bücher in drei Formaten ausgeliefert. Die Formate sind EPUB mit DRM (Digital Rights Management), EPUB ohne DRM und PDF. Bei den Formaten PDF und EPUB ohne DRM müssen Sie lediglich prüfen, ob Ihr E-Book Reader kompatibel ist. Wenn ein Format mit DRM genutzt wird, besteht zusätzlich die Notwendigkeit, dass Sie einen kostenlosen Adobe® Digital Editions Account besitzen. Wenn Sie ein E-Book, das Adobe® Digital Editions benötigt herunterladen, erhalten Sie eine ASCM-Datei, die zu Digital Editions hinzugefügt und mit Ihrem Account verknüpft werden muss. Einige E-Book Reader (zum Beispiel PocketBook Touch) unterstützen auch das direkte Eingeben der Login-Daten des Adobe Accounts – somit können diese ASCM-Dateien direkt auf das betreffende Gerät kopiert werden.
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