Beschreibung
Ein wichtiges Kennzeichen der modernen, arbeitsteiligen und komplexen Wirtschaft ist ihr ständiger Wandel. Diese Einführung gibt einen ausgezeichneten ersten Überblick über die Veränderungen, die die europäische Wirtschaft seit dem Ende des 18. Jahrhunderts erfahren hat. Im Mittelpunkt stehen dabei die zentralen Bereiche der Ökonomie: wirtschaftliches Wachstum und Kapitalismus, Einkommensungleichheit und Konsum, Unternehmen, Geld, Wirtschaftstätigkeit der Staaten und globaler Handel. Zugleich stellt das Buch die wichtigsten Methoden der Wirtschaftsgeschichte und die strittigen Forschungskontroversen der vergangenen Jahre vor
Autorenportrait
Jan-Otmar Hesse ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bayreuth.Sebastian Teupe ist Juniorprofessor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bayreuth.
Leseprobe
Wirtschaftliches Wachstum und die Entstehung des Kapitalismus
1798 veröffentlichte der englische Theologe Thomas Malthus eindenkwürdiges Buch, in dem er behauptete, dass ein zu raschesBevölkerungswachstum notwendigerweise zu Hungerkrisen führenwürde, weil sich die Bevölkerung schneller vermehre, als mandie Nahrungsmittelproduktion ausdehnen könne. Wenn mankünftig Hungerkrisen verhindern wolle so Malthus , wäre dieBegrenzung des Bevölkerungswachstums die einzige Möglichkeithierzu (Malthus 1798/1977: 2127). Später hat man diesen Zusammenhangals »Malthusianische Falle« bezeichnet, der einigeLänder mit Geburtenbeschränkungen zu entkommen versuchten(Wrigley 2004: 229248; Ehmer 2004; vgl. hierzu auch QuelleNr. 1 unter www.historische-einfuehrungen.de).
Zu Unrecht: Denn als Malthus die nach ihm benannte vermeintliche»Falle« beschrieb, war England im Begriff, diesenZustand zu überwinden. Womit Malthus nämlich nicht gerechnethatte, war die Fähigkeit der Menschheit, mit immer wenigerEinsatz an Arbeitskraft und landwirtschaftlicher Nutzflächeeine immer größere Menge an Lebensmitteln zu erzeugen. Ökonomensprechen von der »Steigerung der Produktivität«. Obwohlsich die Bevölkerung in England zwischen 1700 und 1850 nahezuverdreifachte, starben immer weniger Menschen an Hunger, weildie Lebensmittelproduktion sogar noch schneller gesteigert werdenkonnte als das Bevölkerungswachstum. England konnte essich anfangs sogar leisten, einen Teil des erzeugten Getreides insAusland zu verkaufen was nicht heißt, dass alle Menschen inEngland auch genug zu essen hatten (Allen 2004). VerbesserteDüngung, neue Anbautechniken, Züchtung von ertragreicherenund widerstandsfähigeren Pflanzen- und Tierarten und schließlich der Einsatz von Maschinen erhöhten die Produktivität derNahrungsmittelproduktion. Weniger Menschen starben daher anden Folgen von Unterernährung. Als Malthus sein Buch schrieb,lebten auf der Erde kaum eine Milliarde Menschen (Maddison2006: 30) heute sind es sieben Milliarden. Viele von ihnen lebenin bitterer Armut, und täglich sterben Menschen an den Folgender Unterernährung. Aber ohne eine erhebliche Ausdehnung derLebensmittelproduktion wäre dieses Bevölkerungswachstum garnicht erst möglich gewesen. Dabei ist nicht nur die Produktionvon Lebensmitteln in den letzten 200 Jahren erheblich gesteigertworden, sondern auch beispielsweise die von Maschinen, mitdenen Lebensmittel geerntet werden, ebenso wie die allerlei anderernützlicher und weniger nützlicher Güter. Schätzungen gehendavon aus, dass im Vergleich zu den vor 200 Jahren lebendenMenschen jeder Einzelne heute die zwölffache Menge an Güternzur Verfügung hat (Clark 2007: 2). Um diese steigende Gütermengezu produzieren, war nicht nur die Vergrößerung der Zahlder Arbeitskräfte notwendig. Es waren mehr und größere Maschinenund Produktionsanlagen vonnöten, und der Einsatz vonMaschinen und Arbeitskräften musste besser organisiert werden.Die »langfristige Vermehrung der realen produktiven Leistungenund Leistungskapazitäten einer Volkswirtschaft« wirdüblicherweise als »Wirtschaftswachstum« bezeichnet (Holtfrerich1988: 413). Für viele Wirtschaftshistoriker war die Erklärungwirtschaftlichen Wachstums in der Vergangenheit der zentraleGegenstand des Faches. Heute wird die fachliche Konzentrationauf wirtschaftliche Wachstumsprozesse überwiegend kritisch gesehen.Für das Verständnis der modernen Wirtschaft ist »Wirtschaftswachstum« aber schon allein deswegen wichtig, weil es bisheute das Handeln eines Großteils der ökonomischen und politischenAkteure (und sicher auch vieler Konsumenten) bestimmt.Wenn diese Einführung in ihrem ersten inhaltlichen Kapiteldaher mit dem Thema »Wirtschaftswachstum« beginnt, so trägtdas genau diesen Umständen Rechnung und ist nicht etwa alsein wirtschaftspolitisches Plädoyer misszuverstehen. Ganz unabhängigdavon, ob man wirtschaftliches Wachstum für wünschenswertoder erstrebenswert hält, ergeben sich aus seiner Beobachtung zentrale wirtschaftshistorische Forschungsfragen: Wielässt sich beispielsweise erklären, dass die Wirtschaft nicht gleichmäßigwächst, sondern Phasen unterschiedlicher Wachstumsgeschwindigkeitenaufweist? Wie können wir Wachstum überhauptmessen? Das bloße Zusammenzählen der produzierten Hühner,Autoreifen, Haarschnitte und Furzkissen ist jedenfalls als Messmethodezu umständlich. Wir benötigen offenbar einen einheitlichenMaßstab, um das Wachstum zu illustrieren, welcher imersten Abschnitt eingeführt wird. Im zweiten Abschnitt wird erläutert,dass Wirtschaftswachstum nie gleichmäßig und stetig verlief.Im dritten Abschnitt wird die Kritik am häufig verwendetenWachstumsmaß aus wirtschaftshistorischer Sicht dargelegt, bevorim vierten Abschnitt schließlich unterschiedliche Erklärungsansätzereferiert werden, wodurch die erstaunliche Beschleunigungdes Wirtschaftswachstums in den letzten 200 Jahren ausgelöstworden sein könnte.
Inhalt
Inhalt
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1. Wirtschaftliches Wachstum und die Entstehung des Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.1 Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts . . . . . 25 1.2 Krise und Konjunktur der deutschen Wirtschaft . . 34 1.3 Wachstumskritik und alternative Wohlstandsmaße . 40 1.4 Erklärungsansätze für die Entstehung des Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2. Einkommensungleichheit und Konsum . . . . . . . . 56 2.1 Wirtschaftswachstum und Einkommensverteilung . 58 2.2 Engels »Gesetz« und die Konsumausgaben der Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.3 Wie neu ist die Konsumgesellschaft? . . . . . . . . 76
3. Organisationsformen der Produktion: Geschichte des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Die (permanente) Entstehung von Unternehmen . . 85 3.2 Unternehmerisch handeln . . . . . . . . . . . . . 98
4. Logik und Geschichte des wirtschaftlichen Handelns der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.1 Kurze Ideengeschichte der wirtschaftlichen Staatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.2 Staatsquote: Entwicklung der staatlichen Budgets . 120 4.3 Einnahmequellen des Staates . . . . . . . . . . . . 126 4.4 Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
5. Goldmünze und Kreditkarte: Geschichte des Geldes . . 142 5.1 Historische Erscheinungsformen des Geldes . . . . 145 5.2 Wie Geld entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.3 Probleme schwankender Geldwerte . . . . . . . . . 158
6. Internationaler Handel und globale Wirtschaft . . . . 170 6.1 Handelsbilanz und Zahlungsbilanz: Grundbegriffe der Außenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.2 Weltwirtschaftliche Integration im Überblick . . . 176 6.3 Theorie und Praxis des freien Handels im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Verzeichnis der Tabellen und Graphiken . . . . . . . . . 211 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . 240
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