Beschreibung
Dieses Buch untersucht transnationale Produktionssysteme deutscher Industrieunternehmen im Hinblick auf Geschäftsmodelle, räumliche Arbeitsteilung und Governance. Es beruht auf Recherchen bei deutschen Automobilzulieferern und Maschinenbauern, sowohl in heimischen Werken als auch in osteuropäischen und chinesischen. Welche Auswirkungen hat diese Organisationsform industrieller Produktion auf deutsche Standorte? Und vor welche Herausforderungen stellt sie Betriebsräte und Gewerkschaften?
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Autorenportrait
Gary Herrigel lehrt vergleichende Politische Ökonomie und Soziologie an der University of Chicago. Ulrich Voskamp arbeitet als wiss. Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Universität Göttingen. Volker Wittke war Geschäftsführender Direktor und Präsident des SOFI. Er verstarb 2012.
Leseprobe
Vorwort Das vorliegende Buch geht auf unsere langjährige und enge Zusammenarbeit mit Volker Wittke zurück. Es spiegelt in vielem seine wissenschaftlichen Ideen, sein großes Engagement wie seine immense Expertise in der empirischen Forschung und sein Geschick in der sorgfältigen Auswertung und zeitdiagnostischen Interpretation der Befunde. In weiten Teilen fußen die Ausführungen in den folgenden Kapiteln auf gemeinsamer Feldarbeit und dabei insbesondere den Diskussionen "im Feld", in denen wir unsere Hypothesen im Lichte der Empirie prüften und zu ersten Befunden verdichteten; sie fußen auf der gemeinsamen Entwicklung und Erprobung von Interpretationslinien und schließlich auf gemeinsam erarbeiteten Zwischenergebnissen und Arbeitspapieren. Sein früher und tragischer Tod verhinderte, dass Volker sich bis zum Ende an der Niederschrift beteiligen konnte. Ohne seine Beiträge aber würde es das vorliegende Buch nicht geben. Es ist seinem Gedenken gewidmet. Unser Dank gilt den Unternehmen, die uns Zugang zu ihren Betriebsstätten in Deutschland, China, Polen und der Tschechischen Republik gewährt haben, und den Gesprächspartnern in Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften, die uns in zahllosen und oft langen Interviews Einblick in die Strategie und Praxis global vernetzter Produktion gegeben haben. Ohne ihre Unterstützung wäre unsere Arbeit nicht möglich gewesen. Für kritische Ermunterung, Anregungen und vielfältige Unterstützung danken wir den folgenden Kollegen, Diskussionspartnern und Freunden: Claes Alvstam, Ingrid Artus, Martin Baethge, Gerald Berk, Katharina Bluhm, Andreas Boes, Heiner Busse, Florian Butollo, Klaus Dörre, Dieter Ernst, Michael Faust, Patrick Feuerstein, Martina Fuchs, Dennis Galvan, Christiane Gephardt, Michael Geppert, Heidi Hanekop, Victoria Hattam, Stéphane Heim, Hartmut Hirsch-Kreinsen, Eitel Horst, Inge Ivarsson, Ulrich Jürgens, Jürgen Kädtler, Inger Korflür, Peer Hull Kristensen, Martin Krzywdzinski, Martin Kuhlmann, Ulrich Kunz, Constanze Kurz, Richard Locke, Maja Lotz, Boy Lüthje, Rudolf Luz, Theo Maas, Gerald McDermott, Glenn Morgan, Wolfgang Nettelstroth, Tommaso Pardi, Markus Pohlmann, Georg Rilinger, Charles Sabel, Gabi Schilling, Michael Schumann, Edward Steinfeld, Torsten Sundmacher, Lukas Thamm, Tobias ten Brink, Eric Thun, Achim Vanselow, Berthold Vogel, Andreas Wendland, Susanne Wengle, Werner Widuckel, Werner Wobbe, Dali Yang, Jonathan Zeitlin. Grundlage des vorliegenden Buchs sind Arbeiten im Rahmen zweier Forschungsprojekte. Hier ist in erster Linie das Projekt "Globale Komponentenproduktion" zu nennen, das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Wir bedanken uns bei der Stiftung für die Unterstützung und insbesondere bei Frank Gerlach und Marc Schietinger für die kompetente, freundliche und überaus geduldige Begleitung unserer Arbeit. Einige der in diesem Projekt untersuchten Unternehmensfälle wurden bereits im Projekt "Kompetenz und Innovation" (dankenswerter Weise gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds) begonnen und dann im Projekt "Globale Komponentenproduktion" wieder aufgenommen und (inhaltlich wie geographisch) erweitert. Punktuell knüpfen wir auch an das "Advanced Manufacturing Project" an, dass von der Alfred P. Sloan Foundation unterstützt wurde. Chicago und Göttingen, April 2017 Gary Herrigel und Ulrich Voskamp Einleitung: Globale Qualitätsproduktion - Annäherung an ein neues Muster transnationaler Produktion Gary Herrigel, Ulrich Voskamp, Volker Wittke Unter dem Eindruck der Globalisierung wandelt sich das deutsche Modell industrieller Produktion. Traditionell setzten Unternehmen in industriellen Kernbranchen wie dem Maschinenbau oder der Automobilindustrie vorrangig auf den Export und positionierten sich in den Qualitätssegmenten globaler Märkte. Erfolgreich konkurrierten sie über technologisch hoch entwickelte, exzellent verarbeitete, oft zudem auf Kundenbedürfnisse maßgeschneiderte Produkte und konnten so den Preiswettbewerb meiden. Institutionell gestützt wurde diese strategische Ausrichtung auf Qualitätsproduktion über ein leistungsfähiges duales System berufsfachlicher Qualifizierung, das den Betrieben eine ausgeprägte Bindung an Facharbeit ermöglichte, ein auf die staatliche Unterstützung praktischer Exzellenz orientiertes Innovationssystem, "geduldiges" Kapital und kooperative Arbeitsbeziehungen, getragen von einer starken Stellung von Arbeit in betrieblichen Prozessen und vertretungsstarken, im Zweifelsfall konfliktfähigen Gewerkschaften. In den traditionell exportstarken Kernbranchen des "deutschen Modells" waren es insbesondere auch Gewerkschaften mit einer ausgeprägten Machtbasis qualifizierter Facharbeiter, die mit ihrer Politik dieses Produktionsmodell aktiv stützten. Mit dieser Strategie, von einer starken heimischen Produktionsbasis aus ausländische Kunden mit deutschen Qualitätsprodukten zu versorgen, schienen die Unternehmen für den zunehmend globalen Charakter des internationalen Wettbewerbs gut gewappnet zu sein. Wie wir in diesem Buch zeigen werden, ist dieses weit verbreitete Modell von Qualitätsproduktion - Sorge und Streeck sprechen im Rückblick auf die "diversified quality production" gar von einem "dominant if not generalized production pattern" (Sorge/Streeck 2016: 16) - in Bewegung geraten. Seit den 1990er Jahren und forciert seit der Jahrtausendwende gibt es einen signifikanten Wandel in den globalen Wettbewerbsstrategien der Unternehmen. Sein sichtbarster Ausdruck ist eine veränderte geographische Lokalisierung der Produktion. Hatten die Unternehmen bis dahin den Akzent ihrer Globalisierungsstrategie auf den Export von heimisch erbrachter Leistung gelegt, so setzen sie seitdem zunehmend auf eine räumliche Ausdifferenzierung ihrer Produktionsstrukturen/Wertschöpfung, auf eine forcierte Globalisierung ihrer Standorte. Ohne die Exportorientierung aufzugeben, haben sie über Direktinvestitionen im Ausland die Landkarte ihrer Produktionsaktivitäten deutlich verändert. Dabei sind verstärkt low-cost-Länder zum Zuge gekommen - insbesondere Standorte in Mittelosteuropa und der Volksrepublik China, die mit ihrer Re-Integration in den Weltmarkt für Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen zugänglich wurden. Die veränderte Geographie von Produktionsstrukturen deutscher Unternehmen bildet den Ausgangspunkt unserer Untersuchung. Zeigen wollen wir vor allem, dass die Unternehmen ihre forcierte Globalisierung mehr und mehr mit einer neuen Strategie verbinden, entlang der sie ihre multinationalen Aktivitäten organisieren. Wir sprechen hier von "globaler Qualitätsproduktion". In der Nutzung ausländischer Standorte orientieren sie sich zunehmend weniger am traditionellen Modell der verlängerten Werkbank bzw. der exportorientierten Billigproduktion. Vielmehr lokalisieren sie dort mehr und mehr (auch) Produktionsaktivitäten für komplexe und technologisch anspruchsvolle Erzeugnisse, die traditionell als exklusive Domäne deutscher Standorte gelten. Sie werten dafür die Leistungsprofile und Fähigkeiten von Auslandsstandorten mit eigenen Sourcing- und Engineeringfunktionen auf, in großen Märkten wie China mehr und mehr auch mit Design- und Innovationsaktivitäten für die lokalen Anpassung von Produkten an Bedürfnisse, Konventionen, Geschmack und Zahlungsfähigkeit oder gar für die Neuentwicklung von Produkten. Qualitätsproduktion ist eine relative und keine natürliche Kategorie, ihre Gestaltung fällt kontextabhängig aus. Deutsche Produzenten in Schwellenländern regionalisieren ihre Einkäufe, weiten ihre im Ausland lokalisierte Design- und Ingenieurskompetenz aus und globalisieren die formellen Verbesserungs- und Kostenreduzierungsmethoden ihrer ganzheitlichen, ursprünglich für ihre Heimatstandorte entwickelten Produktionssysteme. Zugleich registrieren wir wachsende gegenseitige Abhängigkeiten auf der transnationalen Ebene. Die Veränderungen erschöpfen sich nicht in lokalen Aufwertungen an ausländis...