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Von Angesicht zu Angesicht

Krimi

Erschienen am 27.07.2007
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783596168064
Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format (T/L/B): 2 x 19 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Varg Veum ist entsetzt: In seinem Wartezimmer sitzt ein toter Mann. Sein stiller Gast - der Lehrer Erlend Ekerhovd - hatte anscheinend auf eigene Initiative Nachforschungen über einen rätselhaften Mord angestellt, der vor vierzehn Jahren an der Nordwestküste Norwegens passiert ist. Eine Frau hat ihrem Leben ein Ende gesetzt, indem sie ins Meer ging. Aber Erlend Ekerhovd, der die Frau sehr gut gekannt hatte, hegte Zweifel an diesem Selbstmord. Hat ihn sein Misstrauen am Ende das Leben gekostet? Varg Veum nimmt sich des Falles an - sehr zur Missbilligung der ermittelnden Polizei - und findet Dinge heraus, die einige der wohlanständigen Bürger der Stadt Bergen wohl lieber im Verborgenen belassen würden.

Autorenportrait

Gunnar Staalesen wurde 1947 im norwegischen Bergen geboren. Nach einem Studium der Literaturwissenschaften schuf Staalesen den Privatdetektiv Varg Veum, der ihn zu einem der bedeutendsten Spannungsautoren Norwegens machte. Gunnar Staalesen wohnt mit seiner Familie in Bergen, wo auch seine Krimis spielen. Dort arbeitete er als Dramaturg am Theater. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben.

Leseprobe

In meinem Wartezimmer saß ein Toter. Es war Ende Oktober, und ich kam gerade von einem Auftrag zurück, der mich nach Ølve geführt hatte, einen der Orte im Vestlandet, wo Gott Perlen vor die Säue geworfen und sie nie wiedergefunden hatte. Dennoch hatte man ihm erstaunlicherweise auch in Ølve eine Kirche errichtet, wo der Pfarrer Sonntags manchmal zum Gottesdienst rief, wenn sein Tourneeplan ihn in die Gegend verschlug. Mein Auftrag dort war eher akademischer Natur gewesen. Es ging um irgendwelche Grenzpfähle, die irgendjemand nachts versetzte. Ich hatte zwei Nächte in einem abgelegenen Kuhstall verbracht, in der Hoffnung, den Täter auf frischer Tat zu ertappen. Doch der Grund für die Pfahlmanipulationen hatte so tiefe Wurzeln in der langen Familiengeschichte der beiden Nachbarhöfe, dass ich meinem Auftraggeber vorschlug, sich stattdessen an den staatlichen Denkmalpfleger zu wenden. Ich selbst begnügte mich mit dem Vorschuss, der auf der Rückfahrt zumindest die Fährkosten von Våge nach Halhjem deckte. Eine westnorwegische Herbstlandschaft im Regen ist nicht viele schöne Worte wert. Heftige Stürme am Anfang des Monats hatten die meisten Blätter von den Bäumen gefegt. Die Farben auf den Hügelkuppen zwischen Halhjem und Ulven waren graubraun und verwaschen, und der Himmel hing wie eine brüchige Hängematte über dem Ganzen. Ich hörte die Vormittagssendung von NRK-Hordaland im Autoradio, die allerdings auch nicht dazu angetan war, meine Stimmung zu heben. Zwischen fünf- und sechstausend Studenten hatten gegen den Staatshaushalt demonstriert, und die Verwaltungsbüros der Universität Bergen waren von studentischen Aktivisten besetzt worden. In Bergen stritten sich die Politiker, ob sie die Vergabe der Schankrechte ausdehnen sollten. Als ich in die Stadt kam, beschloss ich, noch kurz ins Büro zu gehen und den Anrufbeantworter abzuhören. Ich parkte in der Strandgaten, steckte den nötigen Beitrag für die Stadtkasse in die Parkuhr und eilte durch den Regen Fortunen hinunter und dann um die Ecke zum Strandkaien. Vor der Tür der Hausnummer zwei hielt ich einen Moment inne und schüttelte den grünen Südwester aus, rollte ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare, bevor ich in den Fahrstuhl einstieg. Man konnte nie wissen. Vielleicht tauchte ja plötzlich eine Journalistin aus ?lesund auf. Aus alter Gewohnheit öffnete ich die Tür zum Wartezimmer, um von dort aus ins Büro zu gehen. In der Türöffnung blieb ich stehen. Zum ersten Mal seit langer Zeit saß dort ein potentieller Klient. Doch die Chance hatte ich verpasst, ehe ich überhaupt davon gewusst hatte. Auf jeden Fall war ich nicht mit ihm verabredet gewesen. Ich hatte ihn noch nie gesehen, und ich brauchte nicht lange, um festzustellen, dass er tot war. Das Wartezimmer war noch nie ein besonders gemütlicher Aufenthaltsort gewesen. Hätte es nicht zum Büro gehört, hätte ich es niemals so lange behalten. Die Wochenzeitschriften, die ich im Sommer 1975 vom vorherigen Mieter geerbt hatte, waren mittlerweile so alt, dass sie jeden Tag im Wert stiegen. Für den abgenutzten Teaktisch fürchtete ich das Gegenteil, und die klassischen Wartezimmermöbel aus Chrom und moskaurotem Kunstleder luden auch nicht gerade zu einem längeren Aufenthalt ein. So saßen dort denn auch immer weniger Leute. Der tote Mann auf dem Sofa war seit vielen Wochen der erste. Es bestand kein Zweifel daran, dass er tot war. Sein Puls entsprach dem einer Beethoven-Büste. Wer er war, damit wollte ich mich überhaupt nicht befassen, jedenfalls nicht, bevor die Polizei dagewesen war. Was konnte ich sonst tun? Es würde sicher sowieso kompliziert genug werden. Ich rief sie auf dem Handy an, ohne den Toten aus den Augen zu lassen, als hätte ich Angst, er könnte sich aus dem Staub machen. Sie sagten, sie würden sofort ausrücken. Und es dauerte auch nicht lange, da hörte ich sie draußen auf dem Korridor. In der Zwischenzeit hatte ich mir den Mann etwas genauer a

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