Beschreibung
»Eine einzigartige Fantasy-Saga!« Publishers Weekly
Zwei Jahre sind seit der gescheiterten Invasion der Marat vergangen. Und während Tavi, der noch immer keine Magie wirken kann, dem Ende seiner Ausbildung zum kaiserlichen Spion entgegenfiebert, droht Alera bereits neue Gefahr. Denn ausgerechnet als Kaiser Gaius Sixtus schwer erkrankt und das Reich ohne Führung ist, bewegen sich die Furcht erregenden Vord auf die Hauptstadt zu uralte Schreckensgestalten, für deren Wiedererweckung nicht zuletzt Tavi mitverantwortlich ist
Autorenportrait
Neben dem Schreiben gilt Jim Butchers größte Leidenschaft dem Kampfsport. Der international erfolgreiche Bestsellerautor lebt mit seiner Familie in Missouri, USA.
Leseprobe
Für die alte Gang bei AmberMUSH und auf Too. Wir haben viel zu viel Zeit verschwendet, aber ich bereue keine Sekunde.
Wenn der Anfang aller Weisheit in der Erkenntnis liegt, dass man nichts weiß, so besteht der Anfang allen Begreifens in der Einsicht, dass jedes Ding, das existiert, eine simple Wahrheit verkörpert: Große Dinge entstehen aus kleinen.
Aus Tintentropfen entstehen Buchstaben, Buchstaben bilden Wörter, Wörter häufen sich zu Sätzen, und Sätze schließlich geben Gedanken Ausdruck. So geht es auch mit Pflanzen, die aus einem einzigen Samen sprießen, und jede Mauer wird aus vielen Steinen zusammengefügt. Aber auch auf die Menschen trifft dies zu, denn die Sitten und Traditionen unserer Vorfahren bilden das Fundament unserer Städte, unserer Geschichte und unserer Lebensweise.
Ob nun toter Stein oder Lebewesen oder das wogende Meer; ob in Zeiten des Friedens oder während welterschütternder Ereignisse, an Markttagen oder in verzweifelten Schlachten, ein Gesetz gilt für alles gleichermaßen:
Große Dinge sind aus kleineren erschaffen.
Dabei wächst die Bedeutung mit der Größe, sie nimmt stets vom Kleinen zum Großen zu " doch nicht immer ist sie auf den ersten Blick ersichtlich.
Aus den Schriften von Gaius Secundus, Erster Fürst von Alera
Der Wind heulte über die sanft gewellten, nur spärlich bewaldeten Hügel im Lande der Marat, des Einen und Großen Volkes. Er trieb harte, raue Schneeflocken vor sich her. Der Eine ritt über den Himmel, doch verbargen die Wolken sein Antlitz.
Zum ersten Mal seit dem Frühjahr war Kitai kalt. Sie drehte sich blinzelnd um und schützte mit einer Hand die Augen vor dem Schneegestöber. Um die Hüfte trug sie einen knappen Schurz, einen Gürtel, in dem ihr Messer steckte, und einen Jagdbeutel. Sonst hatte sie nichts am Leib. Die Böen zerzausten ihr das dichte weiße Haar, dessen Farbe sich kaum von der des Schnees unterschied.
»Beeil dich«, rief sie.
Ein gewaltiges Schnauben ertönte, dann kam eine riesige Gestalt in Sicht. Wanderer, der Gargant, war selbst im Vergleich zu seinen Artgenossen ein Riese, seine Schultern ragten zweimal mannshoch auf. Er hatte bereits sein zotteliges schwarzes Winterfell bekommen, daher störte ihn die Kälte nicht. Die Krallen, länger als ein aleranischer Säbel, gruben sich mühelos und ohne Hast in den gefrorenen Boden.
Kitais Vater, Doroga, saß auf dem Rücken des Garganten und schwankte auf seiner geflochtenen Satteldecke hin und her. Er trug ebenfalls einen Lendenschurz, außerdem eine ausgeblichene rote Tunika aus Alera. Seine Brust, seine Arme und seine Schultern waren so stark mit Muskeln bepackt, dass er die Ärmel seines Gewands hatte abreißen müssen " doch da es ein Geschenk gewesen war, wäre es ihm unhöflich vorgekommen, sie einfach wegzuwerfen. Deshalb hatte er sich ein Stirnband daraus geflochten und das weiße Haar damit zurückgebunden. »Ich verstehe; wir müssen uns beeilen, damit das Tal nicht vor uns davonläuft. Vielleicht hätten wir im Windschatten bleiben sollen.«
»Du bist nicht so witzig, wie du denkst«, meinte Kitai und starrte ihren Vater finster an.
Doroga lächelte, was die Falten in seinem breiten, flachen Gesicht vertiefte. Er packte Wanderers Sattelseil und schwang sich mit einer Leichtigkeit, die man ihm bei seiner Körpermasse nicht zugetraut hätte, vom Rücken des Tieres. Unten klopfte er dem Garganten auf das Vorderbein. Wanderer hockte sich hin und käute gelassen wieder.
Kitai ging voraus in den Wind, und obwohl sie kein Geräusch hinter sich hörte, wusste sie, dass ihr Vater ihr folgte.
Kurze Zeit später erreichten sie den Rand einer Felswand, die jäh in die Tiefe abfiel. Wegen des Schneegestöbers konnte man nicht das ganze Tal einsehen, doch in den Pausen zwischen den Böen reichte der Blick wenigstens bis zum unteren Ende der Steilwand.
»Schau«, sagte sie.
Doroga trat neben sie und legte ihr abwesend den Arm u lauerten beinahe unsichtbar im Kroatsch, während andere leise und flink und fremdartig über den Waldboden huschten.
Diese Erinnerung jagte ihr einen Schauer über den Rücken, aber sie biss sich auf die Unterlippe und zwang sich, ihn zu unterdrücken. Als sie ihren Vater anblickte, gab der vor, nichts bemerkt zu haben.
Im Tal unten hatte, so weit ihr Volk zurückdenken konnte, niemals Schnee gelegen. Dort war es zu warm, selbst im Winter, als wäre das Kroatsch ein riesiges Tier, das die Wärme seines Körpers an die Luft abstrahlte.
Jetzt war der Wachswald mit Eis bedeckt, und überall herrschte Fäulnis. Die alten toten Bäume überzog eine Schicht aus braunem, widerwärtigem Teer. Der Boden war gefroren, auch wenn Kitai an der einen oder der anderen Stelle noch Flecken von moderndem Kroatsch entdeckte. Mehrere Bäume waren umgekippt. Und der hohle Hügel in der Mitte war eingestürzt und verrottet. Der Gestank drang sogar bis hier hoch, zu Kitai und ihrem Vater.
Doroga schwieg eine Weile, ehe er sagte: »Wir sollten hinuntersteigen. Und herausfinden, was geschehen ist.« »Ich war schon unten«, erwiderte Kitai.
Ihr Vater runzelte die Stirn. »Es ist töricht, so etwas allein zu unternehmen.«
»Wer von uns dreien hier hat es lebend wieder nach oben geschafft und war dabei am häufigsten unten?«
Doroga lachte grunzend und sah sie voller Zuneigung und Wärme an. »Vielleicht war es doch nicht so töricht.«
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