Beschreibung
Die Beziehung zur Mutter ist zweifellos eine der tiefgreifendsten, die wir als Menschen erleben können - im guten wie auch im schlechten Sinn. Bedingungsloser Liebe, Schutz und Fürsorge können Ablehnung, Unsicherheit und Grausamkeit gegenüberstehen. Symbolisch gedeutet können wir 'Mutter' noch weiter fassen: Dann sprechen wir von 'Mutter Erde' oder 'Mutter Natur' - Ursprung, Heimat, Rückzugsort -, die uns sowohl nährt und schützt, aber uns auch ihre gewaltige, zerstörerische Kraft spüren lässt. Die Betrachtung biblischer Mutterfiguren öffnet ein weiteres Feld. Mit all diesen Aspekten setzen sich unsere Autorinnen und Autoren in ihren Texten auf ganz individuelle Art und Weise auseinander. Dabei sind Nähe und Fremdheit, Urvertrauen und Veränderung des Blickwinkels durch eigene Mutterschaft ebenso Thema wie Verlustangst, Wehmut und Trauer. Auch sprachlich kommt diese Vielschichtigkeit zum Tragen - bildgewaltige, emotionale Texte wechseln sich ab mit solchen, in denen die eigene Betroffenheit durchschimmert, auch wenn die Sprache versucht, Distanz zu wahren. Mit Gedichten von: Katrin Bibiella, Birgit Biehl, Fritz Billeter, Wolfgang Bittner, Marlies Blauth, Christa Bruns, Carla Capellmann, Christiane Dénes, Jürgen Diethe, Karl Feldkamp, Stefan Frings, Boris Greff, Günter Helmig, María Teresa Hernán-Pérez, Regina Jarisch, Gerhard Kraus, Ursula Krieger, Nina Kupczyk, Rainer Küster, Anne Mai, Gerd Meyer-Anaya, Gerhild Michel, Volkmar Mühleis, Werner von Mutzenbecher, Jörg M. Pönnighaus, Richard Riess, Martin Roemer, Gudrun Rose, Renate Schoof, Peter Schwanz, Maria Stahl, Christine Vetter, Reina Ilona Vildebrand, Annette Wenner, Hans-Werner Wiedemann, Katja Wüstenhöfer und Josef Zeller
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Rolf Duscha
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Leseprobe
Muttersprache, Vaterland - das sind zunächst Zuordnungen, die etwas über die geografische Herkunft aussagen. Die gern gestellte Frage 'Wo kommst du her?' offenbart den Wunsch, dem Gegenüber näherzukommen. Sprache, Herkunftsland, kulturelle Bezüge erlauben uns - freilich klischeebehaftet - unseren Mitmenschen auf die Spur zu kommen. Dabei bedeutet Herkunft aber weit mehr: Aufwachsen in Geborgenheit und Wärme oder in emotionaler Kälte, in einer Großfamilie oder allein, mit Verantwortung oder ohne diese - die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Doch egal wo und wie wir aufwachsen und welche Gefühle wir damit verbinden, die Begegnung von Mutter und Kind ist die ursprünglichste aller Begegnungen. Die Worte der Mutter sind die ersten Laute, die wir hören, ihre Nähe ist die erste, die wir spüren und oft prägt sie in besonderem Maße unseren Blick auf die Welt. Trotzdem ist diese einzigartige Beziehung nicht immer unproblematisch: Erwartungen auf beiden Seiten werden nicht immer erfüllt, der Prozess der Abnabelung ist oft schmerzhaft und auch die Rollen verändern sich laufend. Im besten Fall gestattet man einander das Wachsen, die Veränderung, begegnet sich auf Augenhöhe und findet immer neue Wege der Nähe zueinander. Im schlimmsten Fall werden Fremdheit und Schweigen irgendwann so übermächtig, dass der Kontakt quälend und vielleicht sogar unmöglich wird. Häufig gibt es dann erst wieder eine Annäherung im Alter, wenn sich die Rollen umkehren, wenn die fürsorgliche Mutter selbst Hilfe und Fürsorge benötigt, wenn das erwachsene Kind die Mutter behütet und erkennt, welchen Platz sie im eigenen Leben eingenommen hat. Aber nicht nur das ewige Kind muss seine Rolle in dieser Beziehung finden, auch das gesellschaftliche Bild der Mutter ist einem stetigen Wandlungsprozess unterworfen. Äußere Ansprüche zu erfüllen und dabei sich selbst treu zu bleiben, bleibt eine ständige Herausforderung: Bin ich eine 'Rabenmutter', weil ich aufgrund eigener Erfahrungen keine Nähe zulassen kann? Leidet die Beziehung zu meinem Kind wenn ich wieder arbeiten gehe, mein Kind in die Obhut anderer gebe? Stelle ich zu hohe Anforderungen an mein Kind, wünsche ich mir unbewusst, dass es meine nicht erfüllten Lebensträume umsetzt? Mische ich mich zu stark in sein Leben ein, weil ich nicht loslassen kann oder auch, weil ich von irrationalen Ängsten erfüllt bin? Kann ich mein Kind so annehmen, wie es ist, ihm Raum geben für die eigene Persönlichkeit? Die Beziehung zur Mutter ist zweifellos eine der tiefgreifendsten, die wir als Menschen erleben können - im guten wie auch im schlechten Sinn. Bedingungsloser Liebe, Schutz und Fürsorge können Ablehnung, Unsicherheit und Grausamkeit gegenüberstehen. Symbolisch gedeutet können wir 'Mutter' noch weiter fassen: Dann sprechen wir von 'Mutter Erde' oder 'Mutter Natur' - Ursprung, Heimat, Rückzugsort -, die uns sowohl nährt und schützt, aber uns auch ihre gewaltige, zerstörerische Kraft spüren lässt. Die Betrachtung biblischer Mutterfiguren öffnet ein weiteres Feld. Mit all diesen Aspekten setzen sich unsere Autorinnen und Autoren in ihren Texten auf ganz individuelle Art und Weise auseinander. Dabei sind Nähe und Fremdheit, Urvertrauen und Veränderung des Blickwinkels durch eigene Mutterschaft ebenso Thema wie Verlustangst, Wehmut und Trauer. Auch sprachlich kommt diese Vielschichtigkeit zum Tragen - bildgewaltige, emotionale Texte wechseln sich ab mit solchen, in denen die eigene Betroffenheit durchschimmert, auch wenn die Sprache versucht, Distanz zu wahren.