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Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie

Roman

Erschienen am 12.05.2014
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783827010728
Sprache: Deutsch
Umfang: 512 S.
Format (T/L/B): 3.5 x 22 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Autorenportrait

Katherine Dunn, geboren 1945 in Kansas City, ist Romanautorin und Journalistin für die L.A. Times und unzählige weitere Zeitungen und Magazine. Außerdem arbeitet sie als Radiomoderatorin und Kritikerin und ist eine der führenden Box-Reporterinnen der USA. Sie selbst steigt heute nicht mehr in den Ring, trainiert aber noch am Sandsack. Katherine Dunn hat 17 Jahre an »Binewskis« geschrieben und arbeitet seit 24 Jahren an ihrem nächsten Roman.

Leseprobe

1 Die Kernfamilie: Seine Reden, ihre Zähne   "Als eure Mama noch der Geek war, meine Traumkindchen", sagte Papa immer, "machte sie das Abknabbern der Köpfe zu einem so funkelnden Geheimnis, dass die Hennen selbst sich nach ihr verzehrten, sie umtanzten, hypnotisiert vor Verlangen. ,Öffne deine Lippen, süße Lil', gackerten sie, ,und zeig uns deine Hauer!'" Genau diese Crystal Lil, unsere Mama mit den sternenfunkelnden Haaren, saß gemütlich auf dem Einbausofa, das nachts zu Artys Bett wurde, sah glucksend auf das Nähzeug auf ihrem Schoß und schüttelte den Kopf. "Red den Kindern nichts ein, Al. Die Hennen damals haben die Beine in die Hand genommen." Abends war das, wenn wir auf Tour waren, zwischen den Shows und Städten auf irgendeinem Zelt- oder Rastplatz, umringt von den anderen Caravans, LKW und Wohnwagen vom Wanderzirkus Binewski, im Schutz unseres fahrbaren Dorfes. Abends, wenn wir nach dem Essen mit vollem Bauch im Schein der Lampe saßen, sollten wir Binewskis eigentlich lesen und lernen. Aber bei Regen beschlich Papa die Erzähllaune. Das Zischen und Trommeln auf dem Metalldach unseres großen Caravans lenkte ihn von seinem Bürokram ab. Regen am Abend vor der Vorstellung war ein Fiasko. Aber Regen auf Fahrt bedeutete Reden, und das war für Papa das Größte. "Eine Schande ist das, und äußerst bedauerlich, Lil", sagte er dann immer, "dass dein Nachwuchs nichts anderes kennt als die Geeks aus Yale, die sich einen Sommer lang unters Volk mischen." "Princeton, Schatz", korrigierte ihn Mama dann sanft. "Randall kommt diesen Herbst ins dritte Semester. Meines Wissens ist er unser erster Junge aus Princeton." Wir Kinder ahnten, dass unsere Geschichte ins Nebensächliche abzugleiten drohte. Arty stupste mich an, und ich meldete mich zu Wort. "Erzähl doch mal von damals, als Mama der Geek war!", sagte ich, und dann rutschten Arty, Elly und Iphy und Chick neben mich in eine Reihe auf den Boden zwischen Papas Sessel und Mama. Mama tat fasziniert von ihrem Nähzeug, und Papa zwirbelte seinen geschwungenen Schnurrbart, ließ die zauseligen Brauen vibrieren und zierte sich künstlich. "Nun ja.", begann er, "es war einmal vor langer, langer Zeit." "Vor unserer Geburt!" "Bevor ich euch", verkündete er mit seiner ausladensten Zirkusdirektorengeste, " auch nur erträumt hatte, meine Traumkindchen!" "Damals hieß ich noch Lillian Hinchcliff", sinnierte Mama. "Und wenn mich euer Vater ansprach, was nur selten und widerwillig geschah, nannte er mich ,Miss'." "Miss!", sagten wir kichernd. Papa flüsterte dann laut, als könnte Mama ihn nicht hören: "Schreckliche Angst! Ich war so entbrannt, dass ich jedes Mal anfing zu stottern, wenn ich sie ansprechen wollte. M-M-M-Miss., sagte ich dann." Bei der Vorstellung, dass Papa, der GROSSE REDNER, so durcheinander war, mussten wir hilflos kichern. "Ich sagte zu eurem Vater natürlich Mister Binewski." "Da stand ich nun", sagte Papa, "am Morgen des 3. Juli, spritzte mit dem Schlauch das alte Hühnerblut und die Federn aus der Manege und beglückwünschte mich zu meinen guten Geekplakaten, und ich sagte mir, bestimmt würde ich Karten in rauen Mengen verkaufen, weil das 4. Juli-Wochenende die heißeste Zeit war für Geeks und ich in dem Jahr einen schönen muskulösen Geek hatte. Der war mit Feuereifer bei der Sache. Also spritz ich mit dem Schlauch so vor mich hin, fühl mich pudelwohl und bin stolz wie nur was, da kommt eure Mama angetrippelt, ein Hingucker vor dem Herrn, und offenbart mir, dass mein Geek sich in der Nacht davongestohlen hat, sein Zeug gepackt und sich ein Taxi zum Flughafen genommen. Er lässt einen Brief da, sein Vater sei sehr krank und er, der Geek, müsse sich aus der Manege zurückziehen und seine Reißzähne zurück nach Philadelphia tragen, um die Privatbank der Familie zu übernehmen." "Immobilienfirma, Schatz", berichtigt Mama. "Und weil eure Mama, Miss Hinchcliff, da rumsteht wie drei Kugeln Vanilleeis, kann ich nicht mal fluchen! Was tun? Die ganze Stadt ist mit dem Geek pl

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