Beschreibung
»Lutherische Kirche ist singende Kirche« das ist ein Satz, der nicht nur für Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker als Leitspruch dient! Immer schon sind die unterschiedlichen Gesangbücher Ausdruck von Theologie und Frömmigkeit gewesen. Immer schon sind in der lutherischen Kirche Theologen zu Liederdichtern geworden und hat sich in der Liederdichtung eine theologische Lehre Ausdruck verschafft. Johann Anselm Steiger wirft hier unter der Überschrift »Das Paradies der Seele« einen Blick auf gleich mehrere Liedsammlungen des lutherischen Pfarrers und Dichters Johann Rist. Dabei wird deutlich wie sich eine sichere Dogmatik, sensible Schriftauslegung und aufmerksame Zeitgenossenschaft zu einem stimmigen Ganzen fügen. Allen, die sich heute noch um ausdruckstarkes evangelisches Liedgut oder gar um ganze Gesangbücher mühen, möge das ein Anreiz sein. Zugleich gratulieren wir dem Verfasser, dem Hamburger Kirchenhistoriker Johann Anselm Steiger, dazu, dass ihm der Hermann-Sasse-Preis für lutherische Theologie zugesprochen wurde, der 2018 überreicht werden wird! Auch der zweite Beitrag bewegt sich im Rahmen der Kirchengeschichte. Ich freue mich besonders, dass wir wieder einmal einen Blick in die Geschichte einer der Vorgängerkirchen der SELK werfen können. Jens Wittenberg widmet sich detail- und kenntnisreich der sog. Niederhessischen Renitenz. Sehr bescheiden überschreibt er seinen Text »Die Familien der 43 renitenten Pfarrer«. Wer aber intensiv Genealogie oder Ahnenforschung betreiben will, ist auf die ausführlichen tabellarischen Anhänge verwiesen. Der Aufsatz selbst entfaltet ein überraschend facettenreiches Panorama theologischer Unterschiede innerhalb der Renitenz. Wittenberg macht dabei gerade für die neuere Forschung darauf aufmerksam, dass es eben zu Fehlschlüssen führt, wenn man die Meinung einzelner Pfarrer als Position der Renitenz ansieht. So wird das Ganze zu einem Lehrstück innerlutherischer Vielfalt. Insbesondere den heutigen Kirchenbezirk Hessen-Nord der SELK wird es freuen, dass es ihm nach Wittenbergs Urteil nicht abgesprochen werden kann, in renitenter Lehrtradition zu stehen.«(aus dem Editorieal von Achim Behrens)
Leseprobe
Liebe Leserin, lieber Leser, »lex orandi, lex credendi« das »Gesetz des Betens« (der Gottesdienst) soll dem »Gesetz des Glaubens« (der kirchlichen Lehre) entsprechen und daraus entspringen. Dieser Grundsatz gilt auch und gerade in einer lutherischen Kirche. Wenn das Bekenntnis die Identität lutherischer Theologie und Kirche schriftgemäß zum Ausdruck bringt, dann kann der Gottesdienst dieser Kirche nichts anderes ausdrücken. In der Entstehungsgeschichte der altlutherischen Kirche zeigte sich die Relevanz und Brisanz dieses Grundsatzes besonders deutlich. Nun ist es aber keineswegs so, dass dem einen lutherischen Konkordienbuch nur eine einzige mögliche lutherische Agende entspricht. In der Geschichte lutherischer Kirche(n) hat es bei aller auch festzustellenden Kontinuität immer schon sehr unterschiedliche Agendenentwürfe gegeben, und im weltweiten Luthertum gibt es bis heute eine Vielfalt. Zudem liegt mit dem in den Kirchen der VELKD (und der gesamten EKD) in Gebrauch befindlichen Gottesdienstbuch ein ganz neues Konzept von Agende vor, das ja jedenfalls auch dem gottesdienstlichen Ausdruck lu-therischer Identität dienen können will. Daher ist es angemessen, dass Thomas Melzl, Pfarrer und Mitarbeiter am Gottesdienstinstitut der Bayerischen Landeskirche, einen analytischen Blick auf die Gattung Agende wirft Wer sich mit ihm auf die Lesart einer Agende als »Text, Intertext, Archiv« einlässt, dem leuchtet unmittelbar ein, warum ein Gottesdienstablauf, der im Gesangbuch abgedruckt ist, für einen unerfahrenen Gottesdienstbesucher eben nicht geeignet ist, den real stattfindenden Gottesdienst mit zu verfolgen. Agende als Text und Gottesdienst als Feier im Vollzug sind eben nicht identisch. Melzls Beobachtungen und Reflexionen regen zum Weiterdenken an und wir danken sehr für die Anteilgabe.Auch Volker Stolles Beitrag bleibt beim Thema Text und Intertext, wenn er sich unter dem bescheidenen Titel »Kleine Methodik der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte« eben dem Phänomen widmet, dass biblische Texte nicht an einem historischen Ort, mit nur einem Textsinn festgestellt sind. Stolles Überlegungen sind dabei von grundsätzlich hermeneutischer Natur: Er beginnt mit Reflexionen über biblische Wortlaute als historischem Text und Wort Gottes. Dabei betont er, dass die je aktuell sich ereignende Glauben stiftende Wirkung des Gotteswortes kraft des heiligen Geistes eben keine vom ursprünglichen Textsinn völlig losgelöste Zutat ist. Dennoch lässt sich beim Nachvollzug der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte eines Textes hier manche Sinnentwicklung oder Sinnverschiebung ausmachen. Dieses Phänomen ist in der biblischen Exegese immer noch zu wenig beleuchtet So widmet sich Stolle hier intensiv einem Phänomen, dass methodologisch bisher ein fatales Schattendasein führt. Der ehemalige Oberurseler Neutestamentler bringt hier mit nicht weniger als 38 zu bedenkenden Punkten Licht ins Dunkel. Die dabei zur Sprache kommenden Aspekte wirkungsgeschichtlicher Exegese (sie sind vielleicht noch nicht vollständig) werden sogleich an exegetischen Äußerungen Martin Luthers veranschaulicht. So kann sich jeder Leser gleich ein Bild davon machen, wie der jeweilige Methodenschritt praktisch angewandt werden könnte. Am Ende leiten die Beobachtungen Stolles vielleicht vor allem zur zweiten Seite der Exegese an: Neben das Bemühen um das Verständnis des Textes tritt ein reflektiertes Bemühen um das Selbstverständnis des Auslegers/der Auslegerin und die Bedingungen, die dasselbe mit prägen.Im Rezensionsteil lässt sich dieses Mal u.a. entdecken, was ein lutherischer Theologe von einem reformierten Konzept für Konfirmandenarbeit lernen kann. Lassen Sie sich überraschen!Prof. Dr. Achim Behrens
Inhalt
Text, Intertext, Archiv(Thomas Melzl)Kleine Methodik der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte(Volker Stolle)
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