Beschreibung
Vom nachkriegsdeutschen Erleuchtungskino eines G. W. Pabst bis zum Sensualismus im heutigen Geschichtsfernsehen, von der Mini-TV-Serie mit Hang zum großen Drama bis zum Blockbuster-Thriller mit Tom Cruise: Seit sechs Jahrzehnten blicken Kino- und Fernsehbilder immer wieder auf Graf Stauffenberg zurück, arbeiten das Attentat auf Hitler und den gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 in neuen Sinnbeziehungen um. Beim Wandel der Inszenierungen des 20. Juli 1944 geht es nicht nur um abweichende Versionen eines historischen Ereignisses. Es handelt sich vielmehr um Bilder, die sichtbar machen, was jeweils als geschichtswirksam und ereignishaft zählt. Unter dem Aspekt der Geschichtsästhetik wird die Frage gestellt, wie die nachwirkende NS-Vergangenheit als Bild vergegenwärtigt wird, das heißt: als Modulierung von Raum, Zeit, Handeln und Empfinden. Die Perspektiven auf den 20. Juli sind Formungen eines jeweiligen Verständnisses von Politik - oder von deren Ausblendung. Zugespitzt auf die Frage der Affektpolitik steht damit zur Diskussion, wie Nationalsozialismus (und die Alternative eines "anderen Deutschland") versinnlicht wird. Die verzeitlichten Bilder des Offiziers mit der Augenklappe und der Handprothese sind Verkörperungen von politischer Subjektivität: Die Filme zeigen uns Stauffenberg als Republikaner, Modernisierungsverächter oder Modelleuropäer, als transgressive Rebellenfigur, biopolitischen Normtypus oder kreativen Wissensarbeiter.
Autorenportrait
Drehli Robnik ist Historiker und Filmwissenschaftler, Key Researcher am Ludwig Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft, Wien. Lehrtätigkeit an der Universität Wien, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/M, an der Masarykova Univerzita, Brno, und an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Publikationen zur Theorie und Geschichte von Film und Kino, insbes. Kino und Zweiter Weltkrieg, Film und Politik, Horrorfilm. Gelegentlich Filmkritiker, Disk-Jockey und Edutainer. Lebt in Wien-Erdberg.