Beschreibung
Nirgends sonst als bei den Diskussionen über den sogenannten Nahostkonflikt zeigt sich drastischer, wie sehr das verbissene Ressentiment gegen Israel das maximale Desinteresse an seinem Gegenstand doch zu seiner konstitutiven Voraussetzung hat. Unvorstellbar darum, dass auch nur einer der israelkritischen Dogmatiker und ewigen Bescheidwisser sich je mit dem 'Que sais-je?' (dt.: Was weiß ich?) der französischen Frühaufklärung konfrontierte, das titelgebend für die renommierte Reihe im Geiste der Enzyklopädisten ist, in der Georges Bensoussans prägnante historische Untersuchung 2023 in Frankreich erschien. Auf seiner Suche nach dem gesellschaftlichen Ursprung des damals noch arabisch-israelischen Konflikts geht Bensoussan bis in die Zeit vor der ersten Alija zurück und betrachtet einen historischen Abschnitt, der sich vom Jahr 1870 bis zum Ende des Unabhängigkeitskriegs und den ersten Waffenstillstandsabkommen Israels mit seinen arabischen Nachbarstaaten 1949 erstreckt. Er zeigt dabei, dass der alte Jischuv bereits vor der Einwanderung osteuropäischer Zionisten den Kern einer von Europa inspirierten Nationalbewegung bildet. Während sich für die dortigen Juden schon früh der Weg hin zu einer modernen Gesellschaft mit entsprechenden Institutionen und Organisationen abzeichnet, ist die überwiegende Mehrheit der arabischen Bevölkerung durch die clanbasierte und durch Tradition und Religion gebundene Herrschaft in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung gehemmt. Schon bald stehen sich zwei kulturell und gesellschaftlich deutlich differierende Gesellschaften bis zur offenen Feindschaft gegenüber. Bensoussan macht deutlich, dass sich die Dynamik des arabisch-israelischen Konflikts, die keine der üblichen Erklärungsmodelle - vom Nationalismus über den Imperialismus bis hin zum Kolonialismus - wirklich erfassen kann, auch aus der historischen Ungleichzeitigkeit der beiden Nationalbewegungen und den damit einhergehenden ideologischen Verarbeitungsmustern speist, deren Bedeutung nur ermessen kann, wer sich eine Vorstellung von gesellschaftlichem Fortschritt bewahrt. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch, weil der Historiker über den arabischen und islamischen Antisemitismus nicht schweigt, wird er immer wieder zur Zielscheibe von Hetzkampagnen durch islamische und antirassistische Aktivisten.
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