Beschreibung
Ein zufälliges Treffen auf der Straße. Der erste Kuss in einer Frühsommernacht. Arvid ist attraktiv, stilsicher und wortgewandt, aber auch kantig, verschroben. Trotz Zweifeln lässt Sofie sich auf ihn ein. Weil sie sich nach ihrer letzten Liebe danach sehnt, wieder Feuer zu fangen für jemanden. 364 Tage hält die Beziehung zu Arvid. 364 Tage, in denen ihre Leben sich zögernd annähern, in denen die Fehler und Eigenarten des anderen sichtbar werden. Mit jedem Tag wird Sofie klarer, was sie von Anfang an ahnte - dass er ihr nicht reichen wird. Kurz vor ihrem Jahrestag zieht sie schließlich den Schlussstrich. Warum aber beschleicht sie diese Sehnsucht nach ihm, als sie später durch Myanmar und Thailand reist und ihn in Gedanken an all die Orte stellt, die er nie betreten hat? Eine nachdenkliche Beziehungsgeschichte unserer Zeit, feinsinnig und poetisch, aber auch ein Großstadtroman über die Generation Beziehungsunfähig.
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Leseprobe
Als sie schließlich das Wohnzimmer betrat, fühlte sie sich an ein Kammerspiel erinnert. Die Szenerie hatte eher etwas von einer in der Zersetzung begriffenen Krabbelgruppe als von einem Geburtstag. Ein Kind, das wie eine Schildkröte aussah, robbte ihr entgegen, einen Speichelfaden am Kinn. Um den Tisch herum saßen diese Mütter-Mütter, die nicht mehr waren als das. Mütter. Ausschließlich. Dieser Kuhtyp Frau: behäbig, rundlich, bodenständig. Meine vier Wände, mein Kind, sein Erzeuger. Sie, die gebärenden Weiber. Gebär-Mütter. Nicht mehr und nicht weniger. Sie bedankte sich im Stillen bei ihren Freundinnen, die bereits Mütter waren und darüber hinaus. Jemand bot ihr einen Hotdog an, und sie entdeckte zwei Bekannte, mit denen sie wortlos beschloss, etwas zu trinken. Wodka und irgendwas. Ihre Stimmung erreichte etwas Hysterisches. Der Senf brannte in ihrem Mund. Draußen schöpfte der Gastgeber Wasser vom Balkon. War sie nicht auch eine Tastende in Sachen Liebe? Seit sie Lars als ihren Kompass verloren hatte, war ihr manchmal, als könnte man es verlernen, das Lieben. Als könnte man auch die Durchlässigkeit verlieren, derer es bedurfte, wenn es galt, Feuer zu fangen für jemanden. Und wer sie verlor, legte nur einen Schwelbrand nach dem anderen, anfällig für jede sich ändernde Windrichtung. Mathias hatte sich bei ihr untergehakt und wollte wissen: 'Was bist du so abwesend? Hast du nicht gleich ein Date?' 'Ja.' Er lachte ob ihrer Einsilbigkeit, die, wie er fand, so gar nicht zu ihr passte. 'Was ist los?', und boxte ihr in die Seite. Sofie erklärte, dass sie nicht wisse, Arvid etwas skurril sei. 'Skurril muss nichts Schlechtes sein. Wo hast du ihn denn her?' 'Von der Straße, gewissermaßen haben wir uns auf der Straße aufgelesen, als wir beide auf jemanden gewartet haben.' 'Ein guter Anfang.' 'Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich schon alles in Stücke geschlagen.' 'Du bist im Vermeiden ja schon so gut wie ich', kommentierte er. 'Leider. Ich dachte, ihr Männer wärt ständig damit beschäftigt, den Kopf aus irgendwelchen Schlingen zu ziehen. Müssen wir derart emanzipiert sein und euch alles nachmachen? Ich klage an: In dem Punkt ist die Frauenbewegung nach hinten losgegangen. Wenn jetzt beide Seiten zaudern, wird das nichts mehr.' 'Sei einfach nicht so streng mit ihm.' 'Rate ich das sonst nicht immer dir?' Jedenfalls war es ein gutes Stichwort. Sofie beschloss, alles auf sich zukommen zu lassen, Arvid auf sich zukommen zu lassen. Wieder war sie draußen mit ihm verabredet, unter einem Torbogen. Sie hatte mit allem gerechnet bei ihrer Begegnung, nur nicht damit, ihn spontan umarmen zu wollen. Doch wie er da stand, mit seiner Mütze und seinem grau melierten Mantel, seine dunkelbraunen Augen auf sie gerichtet, war sämtliche Abwehr, ob natürlich oder künstlich gezüchtet, in sich zusammengefallen. Sie küssten sich auf die Mundwinkel. Ein Kuss auf den Mund wäre nach der Woche, in der sie Distanz geschaffen hatte, zu selbstverständlich gewesen. 'Hallo.' Seine Zerstreutheit von Montag war wie weggeblasen, wie feiner Sand vom Wind weggetragen, und er wusste genau wohin. Es gab da diesen gläsernen Kunstpavillon im Park, den er ihr zeigen wollte. Einen schlichten Kubus mit einer langen Bar unter hohen Decken, die abzuheben schienen. Dazu Lounge- Ecken und elektronische Musik, die trotz fehlenden Gesangs nicht anstrengend war, sondern sich in den Raum ergoss wie in ein großes Auffangbecken. Wir schwimmen im Klang. Von außen drückten Büsche gegen die Glasfront, und Sofie meinte, das Schaben der dünnen Äste an den Scheiben zu hören, als sie mit Arvid an der Theke stand, um zu bestellen. Die Flaschen waren vor einer orange-goldenen Lichtwand arrangiert. Vielleicht lag es an dieser optischen Suggestion, dass sie Campari bestellten. Arvid hatte sie schon die ganze Zeit im Arm und offenbar beschlossen, sie nicht mehr loszulassen. In der Ecke am Fenster, in die sie sich zurückzogen, war da sofort wieder dieses wortlose Sprechen mit Mund, Lippe