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Hotel de Dream

Ein New-York-Roman

Erschienen am 24.03.2015
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783863001889
Sprache: Deutsch
Umfang: 232 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 20.5 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Das Finanzsystem durchlebt eine schwere Krise, die führende Weltmacht foltert feindliche Kämpfer auf einer entlegenen Insel und viele, vor allem arme Menschen sterben an einer gefährlichen Geschlechtskrankheit. Literarisch hochbegabte Autoren sind beim breiten Publikum unbekannt und bitterarm, zudem weigern sich die Verlage, ihren Lesern Bücher über Homosexuelle zuzumuten. Mit Hotel de Dream hat Edmund White einen hochaktuellen Roman geschrieben - er spielt im New York des Jahres 1900. Der Roman beschreibt die letzten (fiktiven) Tage im Leben des (realen) Autors Stephen Crane, einer Art James Dean der amerikanischen Literatur Ende des 19. Jhdts. Diesem sehr normalen jungen Mann läuft eines Tages der kleine Stricher Elliott in die Arme, Crane gibt ihm zu essen und die beiden lernen sich kennen. Den Tod vor Augen wagt Stephen Crane es einige Jahre später, das Leben dieses Straßenjungen literarisch aufzuarbeiten, obwohl er weiß, dass ein solches Buch im prüden Amerika niemals erscheinen wird. Edmund White kombiniert virtuos reale Fakten und Personen mit literarischer Fantasie. Sein City Boy Elliott führt die Leser durch die homosexuelle Unterwelt New Yorks zur vorigen Jahrhundertwende, und gleichzeitig empfängt der Autor Crane in seinem englischen Exil Berühmtheiten wie Henry James und Joseph Conrad, die beide zu dieser Zeit genau wie er weitgehend mittellos sind; ihre Porträts sind kleine Meisterwerke voller Liebe und Bosheit. Mit dem Roman im Roman über den kleinen Elliott erzählt White eine wundervolle Liebesgeschichte, die ihre Wucht nicht zuletzt aus den feindlichen Umständen gewinnt, gegen die sie sich behaupten muss. Ein sinnliches, großes, ganz und gar wunderbares Buch (Blu)

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Alexander Hamann
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Leseprobe

Der Himmel hing voll schwerer Wolken, nur von der Wall Street her strahlte ein kaltes Abendlicht zu uns herüber, als sei der Westen dort im Süden. Die Gebäude ragten unterschiedlich hoch in den Himmel, ohne jeden Plan in verwirrender Vielfalt der Baustile, wie Gräser, die in einem verwilderten Garten um ein sonniges Plätzchen kämpfen: neben den Rüschen des Farnkrauts die scharfe Klinge des Grases; klassizistische Säulen, viel zu breit und gedrungen, als ächzten sie unter einer großen Last; barocke Balkone mit protzigen, sinnlosen Verzierungen; ein französisches Renaissance-Schloss mit Zier-Schornsteinen und Mansarden unter einem steilen Dach, willkürlich übersät mit Ornamenten wie Sommersprossen auf dem Gesicht eines Bauern - gerade richtig, um ein Wachsfigurenkabinett zu beherbergen. Alle Männer trugen steife Hüte, nur ich war mit meinem Schlapphut unterwegs und Elliott mit der Zeitungsjungenkappe. Um uns herum flammten Lichter auf und verströmten ihr Gold, eine leichte Brise ließ die Markisen über den Fenstern erzittern wie schwere Lider, die im Schlaf zuckten. Die Namen der Geschäfte, die allmählich in der zunehmenden Dunkelheit verschwanden, zeugten von einer babylonischen Sprachverwirrung: Pinaud, Gottschalk, Ruggiero, und ein verspätetes Pferdefuhrwerk verkündete: "Henry Adam - Möbel und Pianos". Wir bogen in westlicher Richtung in die Bleecker Street ein und blieben schließlich vor einer Fassade stehen, die sich durch nichts von den anderen unterschied. "Das ist das Slide, hier lernen Sie meine Schwestern und Mütter kennen" - er sah mich von der Seite an und lächelte wie ein Junge vom Land -, "Sie wissen schon, andere Tunten, junge und alte." "Oh", sagte ich und zuckte mit der Achsel, "ich dachte schon, du sprichst von richtigen Frauen, denen würd' ich's mal zeigen." "Vorsicht, Liebling", sagte er, schon ganz in einer anderen Rolle, "zeig ihn lieber nicht bei der Kälte hier draußen, sonst friert er noch ab!" Er war nicht besonders gut in dieser Rolle, aber ich knuffte ihn trotzdem. Das Lokal, das wir betraten, sah auf den ersten Blick genauso aus wie irgendwelche anderen Kneipen. An der linken Seite verlief ein langer, geschnitzter Holztresen, und dahinter standen Schnapsflaschen in gläsernen Regalen; ein großer Spiegel hinter dem Tresen reflektierte recht schmeichelhaft die Gesichter der müden Männer, die auf den Barhockern saßen. Auf einem fettigen Tablett lag Schinken und Käse, beides nicht mehr ganz frisch. Die Gaslampen verbreiteten ein grelles Licht. Es war noch früh, und nur wenige Männer saßen am Tresen; an einem Tisch weiter hinten im Raum saßen Frauen mit großen Bierkrügen. "Das sind keine Frauen", sagte Elliott, ein wenig stolz auf seine Milieukenntnis. Ich sah genauer hin und erkannte, dass die Hände um die Krüge groß und derb waren, die Nägel aber lackiert. Die Gesichter waren grell geschminkt wie Clownsmasken, aber die Nasen waren zu groß, die Knochen zu kräftig, und dann - nun ja, die verräterischen Adamsäpfel. "Hallo, Schätzchen", krächzte eine von ihnen. "Du darfst dich der Hohen Pforte nähern." Oberlehrerhaft flüsterte Elliott, "Das heißt, wir dürfen sie besuchen." Wir gingen langsam auf sie zu - absurderweise nahm ich den Hut ab und hielt ihn in den Händen, genau wie Elliott, als ob wir Domestiken wären, die von der Herrschaft gerufen wurden. "Was hast du denn da im Schlepptau, Fräulein Pussy?", fragte derselbe Transvestit Elliott. "Er ist ganz und gar normal", sagte Elliott mit dümmlichem Grinsen. "Hmm, normal vielleicht, aber offensichtlich interessiert", erwiderte das Wesen. Er hob ein groteskes Lorgnon empor, das vor Rheinkristallen funkelte, und musterte mich. "Kein besonders kräftiger Normaler. Eher einer dieser schwächlichen Normalos, wie sie heutzutage ihr normales Unwesen treiben. Sieht aus wie 'ne ertrunkene Ratte, dein Mr Normalo, wenn du mich fragst. Aber Augen wie ein Reh. Und du sagst, er gehört nicht dazu?" "Oh nein, Eure Majestät, er ist ein richtiger Mann." "Uuh, sieht er nicht doch ein bisschen weiblich aus, was meint ihr?" Eine der anderen Grazien am Tisch trällerte den Refrain "Rück das Ding mehr nach links, und dann ging's!", und alle gackerten. "Er ist keine Tunte", dröhnte ein dritter Mann mit tiefer Stimme durch rotglänzende Lippen. "Das sieht man doch am Stammbaum!" Plötzlich starrten mir alle in den Schritt. (Elliott flüsterte, "Stammbaum sagt man zu dem Paket zwischen den Beinen.") Das Lorgnon wurde auf meinen Hosenschlitz gerichtet. Der Erste aus der Tisch-Gesellschaft fragte, "Was schleppen Sie denn da herum, das Rockingham Teeservice?" Der Sänger stimmte ein neues Lied an, diesmal war es "Weißes Gesicht, strähniges Haar, großes Saxophon ", daraufhin gerieten alle außer Rand und Band, wobei sie nicht eigentlich lachten, sondern Lachen spielten - sie hielten sich buchstäblich die Seiten oder kippten nach vorn wie Handpuppen, die über den Bühnenrand hängen. "Das ist kein Stammbaum", sagte der Basso Profundo, "das ist nur ein Zahnstocher." "Uuh, du verschreckst unser Fräulein Mann doch nur" - dabei zeigte er mit dem Kopf in meine Richtung. (Anscheinend war ich "Fräulein Mann".) Und dann, an den anderen Transvestiten gewandt: "Was bist du doch für eine schlimme alte Schwuchtel! Eine böse Fee! Die leibhaftige Delilah!" "Von wegen Tequila!", erwiderte er. "Ich bin die Kaiserin von Astonia und du heißt - Fräulein Musch I. Dusch!" Ich fand sie komisch, aber wie immer bei professionellen Komikern war ich auch besorgt: Wie lange würden sie das durchhalten? Dann versuchte ich, mir diese Damen in ihren normalen männlichen Kleidern und ihren normalen Berufen vorzustellen. Vielleicht war die Kaiserin ein Schlachter mit einer alten Ehefrau drüben in Brooklyn und vier Kindern mit schmutzigen Gesichtern. Der andere hatte unter seinen dunkelroten Handschuhen, die bis zum Ellbogen reichten, vielleicht Tattoos aus seiner Zeit bei der Marine. Unter seinem langen Kleid spreizte er die Beine auf wenig damenhafte Weise. Und der dritte war wahrscheinlich Italiener mit behaarter Brust und einem goldenen Kruzifix unter seiner Bluse mit der Brosche. "Und wovon lebt unser Fräulein Mann, Schätzchen? Ich hoffe, sie hat die guten Jahre nicht schon hinter sich, wie der Rest deiner Kundschaft." "Er ist Journalist", erwiderte Elliot voller Stolz. Das Wort Journalist war kaum gefallen, da fing alles zu Kreischen an, Fächer fächelten und Augen rollten. "Heißt das, Fräulein Mann schreibt über uns, damit sie uns die Bude dicht machen oder die Normalos herkommen und uns begaffen - oder sie lockt uns noch das Fräulein Justitia in die gute Stube! Die Töchter des Anstands! Sag schon, und zwar die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit!" "Er meint die Polizei", übersetzte Elliott, aber ich merkte, dass er selbst kaum mehr verstanden hatte als ich. "Manchmal nennen sie die Bullen auch Inspizienten. Oder Gardinenspanner." Er hielt sich die Hände überkreuz vors Gesicht und spreizte die Finger. "Aber meine Damen", sagte ich und senkte die Handflächen beruhigend nach unten, wie ein Dirigent, damit die Streicher leiser spielen, "bitte machen Sie sich keine Sorgen. Es ist unmöglich, über Sie zu schreiben; die Leser der Morgenzeitung wären so schockiert, dass sie an ihrem Toast erstickten." Ihre Aufregung und auch die Verkleidung beruhigten mich. Ich spürte, dass ich für diese Schar verängstigter, aufgescheuchter Wesen verantwortlich war. "Denkt immer daran, ihr Süßen: Wahre Majestät gibt ihr Geheimnis nicht preis", sagte der Basso Profundo. "Preisgeben, Eure Zickigkeit?", wiederholte die Kaiserin. "Denkt Ihr etwa daran, Euer eigenes Geheimnis preiszugeben? Wir würden wohl eine Lupe benötigen, um zu erkennen, was dabei zum Vorschein käme." "Rehäuglein", sagte die dritte Dame und zupfte mir am Ärmel, "wie wär's mit einer Runde Bier? Für jeden ein halbes Pint Ale?" "Euren Majestäten scheint nicht bewusst zu sein", erwiderte ich, "dass euer ergebener Diener vollkommen pleite ist." Alle gaben L...