Beschreibung
Pflege bewegt sich an Grenzen, bei deren Überschreitung die Würde leicht verletzt wird: Grenzen der Nacktheit, der Privatheit, der Intimität. Wird unsere Würde oder die eines anderen Menschen verletzt, empfinden wir Scham. Wenn Gefühle der Scham bewusst wahrgenommen und gedeutet werden, kann diese ihre schützende Funktion als "Wächterin menschlicher Würde" entfalten. Dieser Ratgeber hilft, Würde und Scham in Pflegesituationen besser zu verstehen. Anschauliche Beispiele zeigen, hinter welchen Masken Scham sich verbergen kann und welche Rahmenbedingungen den angemessenen Umgang mit Schamgrenzen erschweren. Die Perspektive der Pflegenden (Laien und Professionelle) wird ebenso berücksichtigt wie die Perspektive der Menschen, denen Pflege zuteilwird. Eine einzigartige Unterstützung für alle, die Pflege menschenwürdig gestalten wollen!
Autorenportrait
Ursula Immenschuh, geb. 1964, hat viele Jahre als ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin gearbeitet. Seit 1999 ist sie als Dozentin in der Fort- und Weiterbildung sowie in der hochschulischen Bildung für Pflegekräfte tätig. Ihre Schwerpunkte: Berufspädagogik und Ausbildung von Führungskräften in der Pflege, Beratung sowie die Themen Menschenwürde und Scham. Seit 2004 ist Ursula Immenschuh Professorin für Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft an der Katholischen Hochschule in Freiburg.
Leseprobe
"Um Scham zu erklären, möchten wir mit einer Metapher arbeiten, auf die wir durch das Buch hindurch immer wieder zurückgreifen werden. Der Schriftsteller Salman Rushdie vergleicht sie mit einer Flüssigkeit: 'Stellen Sie sich Scham als ein süßes, schäumendes Getränk vor, das aus Automaten gezogen wird. Sie drücken den richtigen Knopf, und ein Becher plumpst unter einen pissenden Strahl der Flüssigkeit.' Was passiert jedoch, wenn es zu viel Scham gibt, so dass der Becher überläuft? Viele Gesellschaften haben dieses Problem so gelöst, dass einer Minderheit die Aufgabe zukommt, die ungewollte Scham aufzunehmen und zu verkörpern. Für den hinduistischen Kulturkreis nennt Rushdie die Parias, die so genannten 'Unberührbaren'. Auch in unserer Gesellschaft gibt es Gruppierungen, die in dieser Weise 'auserwählt' sind. Katharina Gröning schrieb 2005, dass die zunehmend ökonomische Betrachtung von Menschen eine besondere Konstruktion hervorgebracht habe: den 'Minderwertigen'. Das wirkt sich auch auf alte Menschen, Menschen mit Behinderung oder mit einer unheilbaren Erkrankung aus. Sie fühlen sich selbst minderwertig. Und die Menschen, die mit ihnen arbeiten, beispielsweise Pflegekräfte, manchmal auch. Doch Scham hat nicht nur negative Seiten. Sie hat auch die Aufgabe, die menschliche Würde zu behüten. Wenn wir die Menschenwürde achten wollen, müssen wir die Scham aus der 'Schmuddelecke' herausholen, sie verstehen und lernen, konstruktiv mit ihr umzugehen. Dazu soll dieses Buch beitragen." (Ursula Immenschuh, Stephan Marks)