Beschreibung
Susa, Persien, im Jahr 473 v. Chr.: König Xerxes gibt den Befehl, alle Juden in seinem Herrschaftsbereich töten zu lassen. Esra, bislang ein friedfertiger Gelehrter in Babylon, wird mit einem Mal zum Anführer im Überlebenskampf des jüdischen Volkes. In einer Zeit voller gewaltiger Wagnisse findet er in Deborah eine Seelenfreundin und die Liebe seines Lebens. Als König Artaxerxes den babylonischen Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubt, scheint für Esra und Deborah ein Traum wahr zu werden. Doch das neue Leben bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich ...
Autorenportrait
Lynn Austin ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt am Lake Michigan. Ihre zahlreichen Romane sind allesamt Bestseller und mit unzähligen Preisen ausgezeichnet worden. In Deutschland gilt sie als die beliebteste christliche Romanautorin.
Leseprobe
1 Babylon Die Tür zu Esras Studierzimmer sprang ohne Vorwarnung auf. Erschrocken blickte er von seiner Schriftrolle hoch und sah seinen Bruder Judas atemlos auf der Schwelle stehen. Er trug noch seine Töpferschürze und Spuren von getrocknetem Ton zierten seine Arme und seine Stirn. "Du musst gleich kommen." Esra ließ den Zeigestab, den Jad, auf der Schriftrolle liegen, um sich die Stelle zu merken, an der er seine Lektüre unterbrochen hatte. "Kann es nicht noch ein paar Minuten warten? Wir sind mit diesem Abschnitt beinahe fertig und es ist ein besonders schwieriger." Judas durchquerte den Raum und riss Esra den Zeigestab aus der Hand. "Nein! Es kann nicht warten. Wenn die Gerüchte wahr sind, steht das Leben unserer Landsleute auf dem Spiel und deine Thorastudien sind dagegen erst einmal unwichtig!" "Tut mir leid", sagte Esra zu seinen drei Thoraschülern. "Ich komme wieder, sobald ich nachgesehen habe, was los ist." "Ihr müsst alle kommen", sagte Judas mit einer Handbewegung zu den jungen Männern am Tisch. "Es betrifft uns alle." "Aber unsere Arbeit -" "Das hier ist wichtiger." Judas zog an Esras Arm, bis er sich erhob. "Jetzt kommt!" Esra würde seinen Bruder später dafür tadeln, dass er ihn und seine Kollegen so rüde unterbrochen und ihm noch nicht einmal Zeit gelassen hatte, die Rollen zu verstauen. Judas war einunddreißig und damit vier Jahre jünger als Esra. Sein Temperament konnte so heiß lodern wie der Brennofen, in dem er und ihr jüngerer Bruder Ascher ihre Töpfe brannten. "Wohin gehen wir?", fragte Esra, als Judas ihn und die anderen aus dem Zimmer schob. "Zum Versammlungshaus. Die Ältesten haben wegen der besorgniserregenden Umstände eine außerordentliche Versammlung einberufen." "Kannst du mir nicht wenigstens sagen, worum es ungefähr geht, Judas? Wir haben wichtige Arbeit zu tun." Sein Bruder verstand die Ernsthaftigkeit von Esras wissenschaftlicher Arbeit nicht, das Studieren und Deuten der heiligen Gesetze Gottes und die Übertragung dieser Gesetze in praktische Regeln, die Arbeiter wie Judas in ihrem Alltag anwenden konnten. Der Gott Abrahams hatte seine Kinder berufen, ein heiliges Leben zu führen, und Esras Arbeit würde dafür sorgen, dass sie die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholten, durch die sie in die jetzige Gefangenschaft in Babylon geraten waren. "Ich weiß alles über deine wichtige Arbeit", sagte Judas, während sie durch die schmalen Gassen liefen. "Was glaubst du, warum Ascher und ich dich unterstützen und du bei uns wohnen kannst?" "Das gibt dir nicht das Recht, mich zu stören und herumzukommandieren -" Judas blieb stehen, Esras Arm noch immer fest im Griff, und fuhr zu ihm herum. "Hast du gehört, was ich gesagt habe, Esra? Oder war dein Kopf in den Wolken bei den Engeln? Diese Neuigkeit betrifft unser Leben." "Du kannst meinen Arm loslassen", sagte Esra und riss sich los. "Ich komme doch mit." Esra nahm nur selten an den Sitzungen des Rates teil, weil er sein Leben in gelehrter Einsamkeit vorzog. Aber er spürte die Dringlichkeit der Versammlung, sobald Judas und er sich in die voll gedrängte Halle schoben. Männer aus allen Gesellschaftsschichten hatten ihre Arbeit verlassen, um hierherzukommen. Rebbe Nathan, der Anführer der jüdischen Gemeinde im babylonischen Exil, stand auf dem Podium, der Bima, und bat um Ruhe. Neben ihm stand ein älterer Babylonier, in das Gewand eines königlichen Sterndeuters und Magiers gekleidet. Er wirkte in dem jüdischen Gebetshaus irgendwie fehl am Platze. Der Fremde blickte sich um, als suche er einen Fluchtweg - als könnte die Menge ihn jeden Augenblick in der Luft zerreißen. Der bloße Anblick eines Heiden, der so nahe an dem Ort stand, an dem die heiligen Schriftrollen aufbewahrt wurden, machte Esra wütend. "Was macht der heidnische Schamane in unserem Gebetshaus?", fragte er Judas. "Das ist eine Entweihung -" "Schhh!" Judas stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. "Kannst du deine heiligen Regeln vielleicht einmal vergessen und einfach nur zuhören