Beschreibung
"Kunzrus Prosa ist griffig, klar, hervorragend lesbar. Seine eleganten Sätze und glänzenden Passagen strahlen einem förmlich von jeder Seite entgegen." New Statesman "Kunzru zeigt außergewöhnlich gut, wie Idealismus zur Ideologie wird und Humanitarismus zum Fanatismus führt, sobald der Zweck anfängt, die Mittel zu heiligen." Telegraph "Ein leidenschaftliches, intelligentes und absolut ernst zu nehmendes Stück Literatur." Scotland on Sunday
Produktsicherheitsverordnung
Hersteller:
Blessing, Karl, Verlag GmbH Penguin Random House Verlagsgrup
ann.schnoor@penguinrandomhouse.de
Neumarkter Str. 28
DE 81673 München
Autorenportrait
Hari Kunzru wurde 1969 als Sohn einer Engländerin und eines Inders geboren. Er lebt in London und schreibt für zahlreiche Zeitungen und Magazine wie "The Economist", "The Guardian", "London Review of Books" und ist Redakteur des online-Kulturmagazins "Mu
Leseprobe
Draußen, auf dem Rasen im Garten, schrauben die Arbeiter vom Zeltverleih das Aluminiumgestänge zusammen. Sie sind laut und machen Witze, werfen sich über das blütenübersäte Rasenstück unter dem Baum hinweg theatralisch Bolzen und Klammern zu. Der Baum ist alt, höher als das Haus, und das Obst zerplatzt, wenn es im Herbst auf den Boden fällt. Wir hätten ihn umhacken lassen sollen, denke ich. Die Männer sehen glücklich aus. Vielleicht, weil sie in einer Atmosphäre arbeiten, die von dauernder Partyvorfreude geprägt ist. Vielleicht steckt die Feierlaune sie an. Das Geheimnis des guten Lebens: Zelte aufstellen. Es befinden sich noch andere Leute draußen. Angestellte des Cateringservice, ein Fahrer; alle bereiten die große Fete vor. Miranda ist weggefahren, um irgendetwas zu besorgen, Girlanden oder Blumen oder Tischkarten. Einmal solle ich im Mittelpunkt des Interesses stehen, hat sie gesagt. Sie wusste, dass mir das nicht passt, aber jeder sollte die Gelegenheit erhalten, mir zum Fünfzigsten alles Gute zu wünschen. Jeder, dachte ich. Jeder? Eigentlich sind es ihre Freunde, aber ich wusste ja, dass sie es nett meinte. Und plötzlich freute ich mich auf die Party. Lange Zeit, mehr als mein halbes Leben, wenn man es so betrachten will, habe ich größere Menschenansammlungen gemieden. Es war mir zur Natur, zu einem Teil meiner Persönlichkeit geworden. Allerdings habe ich im Laufe der letzten paar Jahre meine Deckung nach und nach etwas aufgegeben. Was »karmamäßig« (wie Miranda arglos sagen würde) anscheinend ein Fehler gewesen ist. Ich wende den Blick vom Fenster ab. Das Arbeitszimmer hat sich durch Miles' Besuch verwandelt. Es ist, als hätte er den Raum in Klammern gesetzt. Den Eichenschreibtisch, der mit Kalkulationstabellen und Berichten zugemüllt ist, die Bücherregale. Sogar der ramponierte graue Aktenschrank hat ein provisorisches, unwirkliches Aussehen angenommen. Die Partyvorbereitungen draußen, die, da habe ich keinen Zweifel, Mirandas Denken vollkommen in Anspruch nehmen, kommen mir vor, als fänden sie im Fernsehen statt, als wären sie eine Szene aus einer dieser Vorabendserien, in denen betuchte Vorstädter ihr Leben mit ein klein wenig hohlem Kitzel aufpeppen; Lovestory oder Mystery. Neben dem Metallgestänge breiten die Arbeiter eine weiße Plane aus. Ich sitze regungslos da, will die Atmosphäre des Raums, die Struktur des Lebens, das ich in ihm gelebt habe, nicht stören. Miranda kommt bald zurück. Was sage ich ihr? Was kann ich sagen? Im Flur Stimmen. Nicht die von Miranda oder Sam, noch nicht. Ich öffne die Tür des Arbeitszimmers und stehe vor zwei jungen Burschen, die Haare ganz Gel und Lack, die Teile einer Musikanlage tragen. Sie fragen, wo die hinsollen, und ich höre mich, wie ich ihnen den Weg beschreibe, wie ich mich durch eine Serie überdrehter Kadenzen hindurchmoduliere. Ganz der höfliche Gastgeber, das Geburtstagskind, seine Maske unter dem Druck noch mehr oder weniger intakt. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren. Es ist schon vorbei. Nichts - das Haus, meine Familie, diese lächerliche Party - existiert noch. Dieses Eingeständnis bedeutet nicht, dass ich weiß, was ich als Nächstes tun soll. Selbst wenn ich mich dazu entschließe, nichts zu tun, wird das die Enthüllung der Ereignisse nicht aufhalten, und schon sehr bald, binnen Tagen oder gar Stunden, wird mein Leben hier zu Ende sein. Im Wohnzimmer hängt ein Foto von Miranda, das ich an einem kalten Wochenende während eines Spaziergangs an der Küste von Norfolk aufgenommen habe. Sie steht mit dem Rücken zur Kamera und schaut hinaus aufs Meer. Das Licht fällt direkt ins Objektiv, sie ist kaum mehr als eine Silhouette: klobige Stiefel, schmale Schultern, die in irgendwas Ethnomäßiges gehüllt sind, im Wind wehendes Haar. Aus irgendeinem Grund ist es dieses Bild, das mir einfällt: die zerbrechliche, romantische Miranda, nicht die Organisatorin von Frühstücksbesprechungen, die Empfängerin von Auszeichnungen der örtlichen Handelskammer, nicht die Miranda der letzten Jah Leseprobe