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Der geheime Meister vom Drachentor

Magie, Schamanismus und Alchimie im kommunistischen China

Erschienen am 30.05.2016
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783935367479
Sprache: Deutsch
Umfang: 368 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21 x 14.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt Hinweis zur Schreibung des Chinesischen. 9 Einführung von Thomas Cleary. 11 ERSTER TEIL In das Dao eintreten. 15 1 Die Berufung. 17 2 Besinnung (1. Stufe). 25 3 Den Lebensgeist sammeln (2. Stufe). 43 4 Die Dreifache Welt kultivieren (3. Stufe). 63 5 Die Einnahme des Elixiers und Fasten (4. Stufe). 85 ZWEITER TEIL Wiedergeburt und Läuterung. 97 6 Ins Leben zurückkehren (5. Stufe: Der lebende Tote). 99 7 Das Dao praktizieren (6. Stufe). 107 8 Auf Wanderschaft. 137 9 Die Fünf Künste (7. Stufe). 151 10 Jenseits von Raum und Zeit (7. Stufe: Wissen entwickeln). 165 11 Bewusst träumen und den Geist läutern (8. Stufe). 181 12 Schatzsuche in den Bergen. 189 13 Himmel jenseits der Himmel. 221 14 Der Traum des Universums. 235 15 Natur und Dao. 247 16 Aufstieg (9. Stufe: Baden). 263 ' 8 ' DRITTER TEIL Der Weg der Menschheit. 277 17 Die Trennung. 279 18 Das Dao im Alltag leben. 301 19 Der Auftrag. 322 20 Die Last der Verantwortung. 343 21 Zurück zum Ursprung. 351 Anhang. 365 Weiterführende Literatur. 365 Geschichte Chinas und des Daoismus im Überblick. 369

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Leseprobe

EINFÜHRUNG VON THOMAS CLEARY Dieses Buch ist die Übersetzung der autorisierten chinesischen Bio-graphie von Wang Liping, einem zeitgenössischen daoistischen Meister; sie wurde von zweien seiner langjährigen Schüler verfasst. Wang Liping ist Linienhalter in der achtzehnten Generation der Drachentor-Schule [longmen pai] des Daoismus, deren spiritueller Stammbaum sich über achthundert Jahre zurückverfolgen lässt. Als elfjähriger Junge wurde Wang Liping von drei alten Meistern der Drachentor-Schule dazu auserwählt, die besondere Schulung zum Linienhalter zu empfangen. Der Brauch, ausgewählte Individuen zu Linienhaltern oder Traditionsträgern von esoterischen Lehren heranzubilden, wird von den tibetischen Buddhisten und den Khajagan-Sufis sowie den Daoisten der Drachentor-Schule gepflegt. Nachdem Wang Liping von den drei alten Meistern des Drachentors geortet worden war, wurde er anschließend über fünfzehn Jahre in den verschiedensten daoistischen Disziplinen unterwiesen und zum Dao-Meister geschult. Auf der Grundlage seiner persönlichen Erinnerungen schildert diese Biographie Wang Lipings frühe Lebensjahre und seine esoterische Schulung. Die Drachentor-Schule ist ein Zweig der einflussreichen daoistischen Schule der Vollkommenen Wirklichkeit, die Buddhismus und Kon-fuzianismus in eine umfassende neue Form des Daoismus integriert hat. Diese Schule des Daoismus hat sich im Verlauf des chinesischen Mittelalters allmählich über ganz China ausgebreitet und lebt bis heute weiter. Etliche klassische Schriften und Texte dieser Schule sind in jüngster Zeit in europäische Sprachen übersetzt worden. Die Schule der Vollkommenen Wirklichkeit wird gewöhnlich in zwei Haupttraditionslinien unterteilt: die südliche und die nördliche Tradition. Die etwas ältere südliche Tradition hat ihre Wurzeln im Werk von Zhang Boduan (Chang Po-tuan, 983-1082), dessen Meisterwerk Über das Begreifen der Wirklichkeit als Klassiker der daoistischen spirituellen Alchimie gilt und von Daoisten aller Traditionen gleichermaßen studiert wird. Das gilt auch für ein weiteres hochgeschätztes Traktat dieses Meisters über die innere Alchimie, die Abhandlung über das Goldene Elixier in vierhundert Zeichen. Die nördliche Tradition dieser Schule beruht auf dem Werk von Wang Chongyang (Wang Chung-yang, auch Wang Zhe, 1112-1170), in erster Linie auf seinem Traktat Fünfzehn Punkte zur Begründung einer Schule. Wang soll sich unter dem berühmten Unsterblichen Lü Dongbin (Lü Tung-pin) geschult haben, jenem großen Meister, der auch als der Urahn Lü bekannt ist. Lü Dongbin war maßgeblich beteiligt an der Integration des Buddhismus und Konfuzianismus in den alten Daoismus, der zur Keimzelle der neuartigen spirituellen Alchimie in der Schule der Vollkommenen Wirklichkeit wurde. Wang Chongyang soll außerdem von Lü Dongbins eigenem Meister geschult worden sein; später gehörte eine Anzahl von bedeutenden Vertretern der daoistischen Tradition zu seinen Schülern. [Deutsche Übersetzungen von Werken des Urahnen Lü, von Wang Chongyang, Zhang Boduan und anderen Adepten der Schule der Vollkommenen Wirklichkeit finden sich im Verzeichnis weiterführender Literatur am Schluss des Buches.] Die Drachentor-Schule des Daoismus, deren Erbe Wang Liping ist, ist ein Zweig der nördlichen Tradition in der Schule der Vollkommenen Wirklichkeit. Ihre spirituelle Linie geht zurück auf Qiu Chuji (Chiu Chuchi, 1148-1227), einen Meister des dreizehnten Jahrhunderts, der einer der Hauptschüler von Wang Chongyang war. Sein daoistischer Name ist Changchun, Meister des Ewigen Frühlings. Er gehörte zu jenen Weisen, die den Mongolenherrscher Dschingis Khan (1155-1227) vor über achthundert Jahren durch ihren Rat dazu bewegten, nach der Eroberung Chinas durch die Mongolen die altchinesische Kultur zu bewahren. Dschingis Khan ernannte Changchun zum Oberhaupt aller Religionen in China, und das führte unter anderem dazu, dass die Drachentor-Schule bei der Bewahrung der chinesischen Kultur eine ganz entscheidende Rolle spielte. Die Daoisten schreiben Changchun wesentliche Teile eines Werkes zu, das unter dem Titel Die Reise in den Westen bekannt ist - eine symbo-lische Erzählung, die daoistische, buddhistische und konfuzianische Elemente in sich vereint. Die Reise in den Westen wurde während der Yuan-Zeit als Bühnenstück populär und in der nachfolgenden Ming-Zeit zu einem der bekanntesten und volkstümlichsten Romane der chinesischen Literatur umgestaltet. Liu Yiming (1737-1826), ein Meister der Drachentor-Schule in der elften Generation, verfasste einen Kommentar über den verborgenen spirituellen Sinn der Reise in den Westen, der sich in dem Buch Die Drei Schätze des Dao findet. Wang Liping, ein Überlebender der chaotischen Zeit der Großen Proletarischen Kulturrevolution, steht in dem Ruf, ein außergewöhnliches Spektrum von Wissen und Fähigkeiten zu beherrschen. Als Linienhalter, der eine ganz spezielle Schulung durchlaufen musste, führt er die Tradition der Drachentor-Schule fort und ist der Bewahrung und Erneuerung des daoistischen Wissens verpflichtet. Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Lehrer und Heiler sowie als Herausgeber einer Neuausgabe des daoistischen Kanons Daozang (Tao Tsang) wirkt Wang Liping als Berater für zahlreiche offizielle Institutionen, die sich mit der Erforschung der chinesischen Medizin, Diätetik und anderer Bereiche der chinesischen Kultur befassen. Wang Liping ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Über die Jahrhunderte hinweg war es bei den Daoisten gebräuchlich, verschiedenartige pädagogische Methoden zu entwickeln und anzuwenden. Sie entsprachen damit dem Grundprinzip der Flexibilität, wie es in dem alten Klassiker Laozi (Lao-tzu) oder Daodejing (Tao Te Ching) dargelegt wurde. Um die Lehre der Drachentor-Schule für unsere moderne Zeit darzustellen, bedient sich Wang Liping dementsprechend eines neuartigen philosophischen Rahmens - des Konzepts der so genannten Dreifachen Welt. Die untere Stufe der Dreifachen Welt besteht aus den drei Sphären Menschen, Geschehnisse und Dinge. Dies ist jene Stufe der Erfahrung, auf der es sowohl Form als auch Substanz gibt und die zugänglich ist für normale menschliche Sinneswahrnehmungen und wissenschaftliche Instrumente, welche die Reichweite der Sinne erweitern und verbessern. Die mittlere Stufe der Dreifachen Welt besteht aus den drei Sphären Himmel, Erde und Menschheit. Zu dieser Stufe der Erfahrung gehört das, was Form besitzt, aber keine Substanz, sowie das, was Substanz hat, aber keine Form. Diese Stufe übersteigt den Horizont des gewöhnlichen Wissens. Das, was Form hat, aber keine Substanz, gleicht den Träumen; das, was Substanz hat, aber keine Form, wird als Vitalität, Energie und Belebender Geist [auch: Essenz, Lebenskraft und spirituelle Energie - chinesisch: Jing, Qi und Shen (Ching, Chi und Shen), die Drei Schätze der Daoisten] bezeichnet. Die höchste Stufe der Dreifachen Welt besteht aus den drei Sphären Universum, Zeit und Raum. Diese Begriffe haben in diesem daoistischen Kontext nicht genau dieselbe Bedeutung wie in der gewöhnlichen Sprache. Die oberen drei Sphären - also der Bereich dessen, was weder Form noch Substanz hat, wie er in der daoistischen Praxis erfahren wird - erweisen sich als weitaus umfassender und vielfältiger als das, was wir gewöhnlich mit unseren Sinnen als Raum, Zeit oder Universum erfahren. Dies ist das Reich des Dao. Wie bei allen praktischen Systemen des Daoismus wurde auch dieser philosophische Rahmen nicht zum Zweck doktrinärer Konditionierung oder abstrakter Verbegrifflichung geschaffen, sondern vielmehr als Hilfsmittel zur Strukturierung von Wissen, Praxis und Erfahrung. Es bedarf einer speziellen Schulung bestimmter Fähigkeiten, um das, was jenseits der gewöhnlichen Vorstellung liegt, überhaupt wahrnehmen zu können; zur Orientierung braucht es deshalb eine Art von Hinweis auf jene Dinge, die sich nicht genau beschreiben lassen. Wie in dieser Biographie dargestellt, entspricht jede Stufe der Dreifachen Welt bestimmten daoistische...