Beschreibung
Queer mit Gott spannt einen bunten Regenbogen über queere Menschen in Bibel und Kirche. Mit biblischen Auslegungen, Einblicken in die Gegenwart queeren Lebens und einfühlsamen Gebeten bringt Klaus-Peter Lüdke die LGBTQIA+Gemeinde im Lichte der unvoreingenommenen Annahme Gottes zum Leuchten. Die Bibel erzählt unbefangen und ohne Vorbehalte von Menschen, deren Geschlechtsidentität von ihrem Körper abweicht, die Liebe zum gleichen Geschlecht empfinden oder sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen können. Auch Gottes Geschlechtszuschreibungen in der Bibel haben eine Bandbreite von männlich bis weiblich, um allen Menschen vorbehaltlos liebend zu begegnen. Queere Menschen sind als gleichberechtigte Ebenbilder Gottes nicht aus seiner Schöpfungsordnung gefallen, sondern sie sind Teil seiner vielfältigen und kreativen Schöpfung. Die Kultur ihrer Ausgrenzung auch aus der Kirche ist nicht gottgegeben. Es ist höchste Zeit, sie mit Gottes Hilfe zu überwinden.
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Autorenportrait
Klaus-Peter Lüdke ist Diplom-Theologe, Autor und Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er ist Vater eines transidenten Kindes, ehrenamtlicher Elternberater und Vorstand im Trans-Kinder-Netz e.V.
Leseprobe
Nehmt einander an Paulus ermutigt die Christ*innen in Rom: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat (Römer 15,7). Unter ihnen sind Andronikus und Junia* (16,7). Wer jetzt? Hier ist der Genderstern wirklich angebracht, denn die männliche Endung für Junias gibt es sonst nirgends im Alt-Griechischen. Ist es aber eine Junia, wird sie mit dem höchstwürdigen Apostelbegriff in Verbindung gebracht. Damit hatten die Auslegungen bis ins 13. Jahrhundert kein Problem. Sie sahen in Andronikus und Junia ein Ehepaar. Doch in den vergangenen 800 Jahre wollten die fast ausschließlich männlichen Ausleger keine Frau mit einem Apostelamt in Verbindung bringen. Dass sie mit ihrer Entscheidung gleichzeitig ein gleichgeschlechtliches Paar legitimierten, hatten sie entweder übersehen oder in Kauf genommen. Die jüngste Lutherübersetzung hat sich nun doch für Junia entschieden, obwohl dem Namen im griechischen Urtext ein vermännlichender Buchstabe angehängt ist. Doch ich denke, dass die Frage offenbleibt, wer nun aus der Junia einen Junias machen wollte. Der Urtext ist sich in der männlichen Endung sicher. Waren es frauenfeindliche Kräfte? Oder hatte sich die von ihren Eltern Junia genannte Person als Junge und später als Mann empfunden und ihren Namen mit einem vermännlichenden Buchstaben ihrer Geschlechtsidentität angepasst? Paulus und Andronikus zumindest hatten kein Problem mit Junias. In Junias einen transidenten Menschen zu entdecken, wurde bislang selten erwogen, aber die Bibel queer zu lesen bringt noch mehr Überraschungsmomente mit sich. Queere Menschen wurden und werden in der Kirche immer wieder übersehen, ausgeblendet, unterdrückt, verurteilt oder ausgestoßen. Und das von Menschen, die ihre Bibel kennen und lieben. Was aber, wenn die Bibel von ihnen voreingenommen und tendenziös gelesen wurde und wird, weil queere Menschen von ihnen nur am Rande wahrgenommen worden waren? Die Liebe soll unseren Umgang in der Kirche und mit anderen Menschen bestimmen. Mehr braucht es nicht. Doch viele Christ*Innen und Kirchengemeinden haben einen selten hinterfragten Ausnahmenkatalog verinnerlicht, für wen es diese Liebe und Annahme nur unter bestimmten Bedingungen geben darf. Queere Menschen werden herzlich aufgenommen, wenn sie ihre Geschlechtsidentität oder Sexualität verleugnen. Halten sie aber an ihrer Identität und Zuneigung fest, ist von der voraussetzungslosen und bedingungslosen Liebe und Annahme Gottes nicht immer viel zu spüren. Die Bitte des Paulus, einander anzunehmen, wird auf diesem Hintergrund immer vielschichtiger: Auch queere Menschen dürfen und sollen ihre eigene Geschlechtsidentität annehmen. Die Kirche darf und soll queere Menschen annehmen. Und von ihren christlichen Geschwistern verletzte queere Christ*innen haben die Chance, mit dem erneuten Zugehen auf ihre Glaubensgeschwister, von denen sie sich vergeblich Unterstützung erhofft hatten, Versöhnung zu erleben. So etwas braucht Zeit und einen langen Prozess, aber es gibt in der Bibel mit Josef auch ein leuchtendes Vorbild für eine Rückkehr der Kirche zu ihrer vollständigen Gestalt männlicher, weiblicher und queerer Vielfalt. Von Josef erzähle ich weiter unten. Annahme Gütiger Gott, Du weißt, wer ich bin, denn Du hast mich geschaffen, Deine liebenden Augen sehen mich und blicken tief in mein Inneres. Nichts muss vor ihnen verborgen bleiben, denn Dein Wesen ist gnädig. Ich danke Dir dafür, dass Du mich geschaffen hast. Ich lobe Dich für jedes Detail an mir, das mit mir im Einklang ist. Und wo nicht, danke ich Dir für Deine Unterstützung dabei, mich zu dem geliebten Menschen werden zu lassen, der ich in Deinen Augen längst schon bin. Ich bitte Dich für mich um Liebe, wenn ich selbst Menschen begegne, die anders fühlen, empfinden und sind als ich. Hilf mir, sie zu respektieren, anzunehmen und zu lieben. Amen. Von Übergängen und Zwischenräumen Als der Schöpfer am Anfang Licht und Finsternis schuf, den hellen Tag und die finstere Nacht, hatte er damit auch die Übergänge geschaffen: Abend und Morgen mit ihrer Dämmerung, dem Morgen- und dem Abendrot. In der Nacht leuchten der Mond, die Planeten und Sterne. Sie verleihen der Finsternis eine besondere Schönheit. Und es war gut so. Als Gott die Atmosphäre schuf mit dem Wasser über und unter dem luftgefüllten Himmel, hatte er damit auch dem Wasser in der Atmosphäre Raum gegeben, obwohl er ihm eigentlich andere Orte zugewiesen hatte. Wir kennen es in der Luft als Regen, Nebel, Hagel, Schnee oder gasförmig als Wasserdampf. Funkelnde Wasserschwaden lösen sich von den herabstürzenden Fluten des Wasserfalls und bringen ihn zum Leuchten: in der Nacht unter dem Mondbogen, am Tag unter dem Regenbogen; solche sprühenden, fließenden und tropfenden Übergänge gehören dazu, und es ist wunderschön. Dann schuf Gott die Erde und das Meer; die größte Lebensvielfalt findet sich an deren Übergängen: an den Küsten, Flussdeltas, Lagunen und Atollen, ganz gleich ob über dem Wasser oder unter der Wasseroberfläche. Bei den Pflanzen tragen manche Samen und Früchte, andere nicht. Die Avocado erblüht am Nachmittag weiblich, am nächsten Morgen männlich. Gleichgeschlechtlich liebende Eichhörnchen-Pärchen sichern das Überleben der verwaisten Jungtiere, die in intakten Familien keine Aufnahme finden. Seepferdchen-Männchen tragen die Kinder aus. Wasserschnecken leben in männlicher Gestalt und werden mit der Zeit weiblich. Manche Amphibien können je nach Bedarf ihr Geschlecht wechseln. Etwa sechs Prozent aller Tiere sind erst in einem Geschlecht unterwegs, dann in einem anderen. Eine solche Diversität fängt der erste biblische Schöpfungsbericht (1. Mose 1,1-2,4a) mit den Worten ein, dass Gott Menschen und Tiere männlich und weiblich schuf, und den Menschen nicht nur als Mann oder als Frau in der Reinform, wie Martin Luther etwas grob übersetzte. Es gibt Frauen und Männer und es gibt sie mit mehr oder wenigen männlichen oder weiblichen Übergängen. Und es ist gut so. Davon berichtet auch der zweite Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel, den wir als Geschichte von Adam und Eva kennen. Als Gott Adam geschaffen hatte, gab es diesen Menschen zunächst alleine in androgyner Gestalt. Erst als der Schöpfer Adam in einen tiefen Schlaf fallen ließ und ihm Eva entnahm, blieb Adam nach diesem Transformationsprozess als ein männliches Wesen übrig. Und Eva, die Frau, musste erst aus dem Ur-Adam herausgearbeitet werden, um Adam als Frau gegenübertreten zu können. Ich höre oft, Gott habe den Menschen als Mann und Frau geschaffen. Lese ich die ersten Kapitel der Bibel, sind männliche und weibliche Erscheinungsformen der Menschen die Regel; Diversität und Vielfalt sind aber ausdrücklich eingeschlossen. Intergeschlechtliche Menschen entdecken sich im Ur-Adam. Transidente Menschen entdecken sich im körperlichen Transformationsprozess Adams und Evas, an dessen Ende ein Mann oder eine Frau steht. Queere Menschen sind von Anfang an Teil der guten Schöpfungsordnung Gottes.