Beschreibung
Anders als bei dem von Günter Graf herausgegebenen Band "Zur Theorie und Praxis des kompetenzorientierten Deutschunterrichts" (Schneider Verlag, Hohengehren 2014), dem ein einheitlicher Kompetenzbegriff zugrunde liegt, ist bei dem hier vorliegenden, von Graf organisatorisch betreuten Band der Fokus bewusst gerichtet auf ein differentes Verständnis von Kompetenz. Entsprechend fallen die theoretischen Konzepte, die die Autoren im Hinblick auf den Literaturunterricht der Sekundarstufe II am Beispiel aktueller Pflichtlektüren des Zentralabiturs explizit oder implizit artikulieren, und die daraus entwickelten unterrichtspraktischen Vorschläge unterschiedlich aus ("Facetten."). Ohnehin tobt der Kampf um die Deutungshoheit des "richtigen" Kompetenzbegriffs heute entschiedener als früher. Denn die Front scheint zu bröckeln, die einst vehement für den Siegeszug von Weinerts Definition der Problemlösung und von Pisas heiliger Kuh der Testnotwendigkeit gekämpft hat. Auch die Bildungsstandards mit ihrem massiven Plädoyer für Leistungskontrolle geraten zunehmend in die Kritik. Insbesondere von Seiten der Literaturdidaktik sind immer schon vereinzelt skeptische Stimmen zu hören, wenn auch sehr verhalten, d. h. mitunter etwas verschämt versteckt in Fußnoten oder Anmerkungen der Studien, die dann nicht selten in einem Widerspruch zur oben auf der Seite geführten affirmativen Argumentation stehen - affirmativ im Sinne einer Bestätigung Pisas und der Bildungsstandards. So gesehen ist es durchaus legitim, den neuerlichen Diskurs um den Kompetenzbegriff noch ein wenig weiterzuführen, und zwar vor dem Hintergrund unterschiedlicher subjektiver Positionen der Autoren und der Diskussion ihres Geltungsstatus' sowie Geltungsanspruchs. Von allen Autoren dieses Bandes ist, trotz unterschiedlicher Konzepte, gleichermaßen daran gedacht - in Absetzung von den eingeschliffenen Behandlungsmustern der Pflichtlektüren des Zentralabiturs -, ein abwechslungsreicheres Spektrum von Zugängen zu den literarischen Texten vorzustellen. Damit ist die Hoffnung verknüpft, etwas mehr Motivation in den üblicherweise ,durchgetakteten' Literaturunterricht der Abiturvorbereitung zu bringen und die Schüler auf diese Weise zur Fortführung ihrer Beschäftigung mit Literatur - nach dem Abitur nun ohne die schulischen Zwänge, d. h. in eigener Entscheidung und privater Organisation - zu stimulieren.