Beschreibung
Merit, Dennis und Frederick lernen sich in einem Chatroom kennen und können es erst nicht glauben: Sie haben alle keine "richtigen" Väter, sondern wurden aus ganz unterschiedlichen Gründen künstlich gezeugt. Die Suche nach ihren leiblichen Vätern bleibt zwar erfolglos, doch dass sie sich mit der Frage nach ihrer Identität auseinander setzen, macht sie stark. Wenigstens sind sie Wunschkinder, so wollen sie es zumindest sehen.
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Nur die weißen, Frederick!, nur die weißen, bitte! Ja, Frau Langmark. Den kleinen Finger der rechten Hand auf G und den Daumen der linken Hand auf G. Das ist ein Halbton, Frederick!, ein Halbton, kein Viertelton, das weißt du doch! Das wusste er, er hatte es nur eilig. Summ, summ, summ, Bienchen summ herum. Auf einmal war er wieder vier, vier Jahre alt und saß am gebrauchten Bösendorfer und tippte mit den Fingern auf die Untertasten. Summ, summ, summ... 'Frederick!' Er hob den Kopf und spürte, wie die Noten von seinen Haaren spritzten wie Tropfen. Die Noten flossen nämlich aus seinem Gehirn durch die Schädeldecke in seine Haare, wo sie perlten. Das war das Wort, das er dachte. Perlen. 'Frederick! Was ist denn?' Manchmal schaute er in eine bestimmte Richtung, und da war nichts. Da stand vielleicht eine Bank oder da hing vielleicht ein Bild an der Wand oder da schien vielleicht die Sonne durch ein Fenster oder da rieb sich jemand vielleicht die Hände. Wie die Frau Samannt. Aber das bedeutete nichts, das war alles weit weg, wie außerhalb. Als ginge sein Blick bis ungefähr zum Lehrerpult und endete dort. Und alles, was dahinter war, war dahinter, in der anderen Dimension. Sein Blick rieselte zu Boden, und dann war er verschwunden. Wie Staub im Wind. 'Ich habe Ihnen eine Frage gestellt', sagte Frau Samannt, 'und ich möchte, dass Sie sie mir beantworten.' 'Perlen', sagte Frederick. Perlen. Chopin. Walzer in e-Moll. Das sagt man nicht!, sagte Frau Langmark, perlen, das schreiben dumme Kritiker. 'Möchten Sie austreten, Frederick?' 'Ja', sagte er, obwohl er sich das nicht vorgenommen hatte. 'Sie dürfen gehen.' Manchmal hielt ihn sogar seine Mutter für globalabwesend. Er wollte nicht globalabwesend sein. Er war nicht globalabwesend. Auch jetzt nicht. Die Frage. Er hätte gern die Frage beantwortet. Aber er hatte etwas anderes zu denken gehabt. Das war doch eigenartig, dass er seit Wochen - so genau konnte er sich nicht erinnern, doch!, es waren drei Wochen, genau drei Wochen am Sonntag, übermorgen - wieder vier war und Etüden spielte, die ihn schon damals vor Langeweile weinen ließen. Es war, als hätte er keine Gegenwart mehr. Als wäre die jetzt auch weg. Wie alles andere. Wie sein Sinn und seine Zuversicht. Weg. Sinn und Zuversicht weg, Zukunft sowieso. Und die Stille auch. Das war das Schlimmste: dass er jetzt dauernd redete. Und dass dauernd irgendwer mit ihm redete. Und eben nicht die Frau Samannt, sondern die Frau Langmark, die schon tot war. Und zwar redete sie... 'Ist Ihnen kalt, Frederick? Sind Sie krank?' ... nicht als Tote, das wäre doch abartig. 'Nein', sagte er. Nur die Untertasten, Frederick! Nur die weißen Tasten. Und nicht so schnell! Das C ist eine ganze Note. Zähle! Eins, zwei, drei... 'Sie sehen sehr blass aus', sagte Frau Samannt. 'Schon eine Weile gefallen Sie mir gar nicht.' Doch, doch. Vielleicht war es besser, er stünde jetzt auf. Wenn er erst einmal stand, würde er es schaffen loszugehen, raus, in den Hof, wo die Sonne schien. Das war nicht schwierig. Er war nicht globalabwesend. Wieso war auch noch die Stille weg? Jetzt fiel ihm die Frage wieder ein. Die Frage lautete, wie sich Gott in den vergangenen Jahren verändert hatte. Nein. Wie sich sein Bild von Gott verändert habe. Gar nicht. 'Gar nicht', sagte Frederick. 'Bitte?', sagte Frau Samannt. 'Gott wirft immer noch keinen Schatten.' Hinter ihm kicherte Ludwig. Dann beugte Ludwig sich vor und schlug ihm auf die Schulter. 'Stimmt genau, Rubinstein!' 'Wie kommen Sie auf dieses Bild?', fragte Frau Samannt. Frederick sah an ihr vorbei, weil hinter ihr ein Sonnenstrahl auf die Tafel fiel, auf die weißen Buchstaben, er machte sie schöner und klangvoller. Frederick konnte sie fast hören. Als sprächen sie sich selber aus. Frau Samannt drehte den Kopf nach hinten. Dann blickte sie wieder in Fredericks Richtung. Komisch fand er, dass die Sonne nur a ... Leseprobe