Beschreibung
Auf einem Floß in einer Bucht des Sees steht eine Holzkonstruktion, der Nachbau eines Vogelfangturms, wie er noch heute in der italienischen Schweiz anzutreffen ist. Die Erzählerin zieht als Kustodin in den klösterlich eingerichteten Turm. Für sie bietet er neben dem Weitwinkelblick auf die Stadt einen Beobachtungsposten, von dem sie zurück auf das sieht, was sie hinter sich gelassen hat. Täglich wird ihr eine Portion Polenta vor die Tür gestellt. Und sie bleibt nicht ganz allein imTurm. Der Zutritt für Besucher wird zwar durch strenge Gesetze geregelt, doch die Kustodin sabotiert sie und läßt immer dieselbe Person im Turm nächtigen: eine Frau rätselhafter Herkunft. Die Migration der Vögel, ihre Gefangenschaft und Vernichtung werden überblendet vom Schicksal dieser Frau. Nach 30 Turmtagen und -nächten muß die Erzählerin in der Frühe, zur Stunde der Matutin, die Stadt verlassen. Gertrud Leutenegger schreibt mit großer Sensibilität für Schwebendes, für das, was sich jenseits der Handlung ereignet. Sie findet berückende Bilder für das kontemplative und zugleich lebenszugewandte Exerzitium ihrer Figur und versetzt uns Leser mit in die meditativ-sinnliche Atmosphäre des Vogelfangturms.
Autorenportrait
Gertrud Leutenegger, geboren 1948 in Schwyz, veröffentlicht seit 1975 Romane, Essays, Gedichte und Theaterstücke; ein Werk, für das sie vielfach ausgezeichnet wurde. Sie lebte viele Jahre in der italienischen Schweiz, heute wohnt sie in Zürich.