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eBook - Du gibst mir, was ich will

Erschienen am 14.02.2013, 1. Auflage 2013
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593419435
Sprache: Deutsch
Umfang: 272 S., 3.97 MB
E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Gefällt Ihnen die Zahl auf Ihrem Gehaltszettel? Gibt man Ihnen im Hotel das Zimmer mit Ausblick? War Ihr Auto ein Schnäppchen? Ja? Dann können Sie hier aussteigen. Allen anderen verrät Wirtschaftspsychologe Jack Nasher, wie man endlich das bekommt, was man will durch effektives Verhandeln. Lernen Sie, wie wenige Sekunden über große und kleine Vermögen entscheiden. Und wie man diese wenigen Sekunden nutzt. Denn wer argumentiert, verliert. Verhandlungsmethoden aus der Praxis und psychologische Techniken vermitteln Ihnen das Handwerkszeug für die besten Deals. Faule Kompromisse? Schlechte Geschäfte? Damit ist jetzt Schluss!

Autorenportrait

JACK NASHER ist Professor, Verhandlungsberater und internationaler Bestsellerautor. Er studierte an den Universitäten Wien, Trier, Frankfurt und an der Oxford University. Heute ist er Professor an der Munich Business School. Seine letzten drei Bücher wurden Spiegel-Bestseller und erschienen unter anderem in Russland, Korea und China. Nasher beschäftigt sich vor allem damit, wie man Menschen durchschaut und beeinflusst. Er gilt als "führender Verhandlungsexperte" (Focus) und "Lügenpapst" (Süddeutsche Zeitung). Mit seinen Radio- und TV-Auftritten erreicht er regelmäßig ein Millionenpublikum.www.jacknasher.com

Leseprobe

EINLEITUNG

"Alle Kriege enden mit Verhandlungen. Warum also nicht gleich verhandeln?"

Jawaharlal Nehru

Vor vielen Jahren starb ein wohlhabender Mann im Orient. Seinen drei Söhnen hinterließ er siebzehn Kamele. In seinem Testament verfügte er, wie sie aufgeteilt werden sollen: Der älteste Sohn solle die Hälfte, der Zweitälteste ein Drittel und der Jüngste ein Neuntel der Kamele erhalten. Die Söhne saßen am Lagerfeuer und beratschlagten sich, wie sie den Willen des Vaters umsetzen sollten. Als sie nicht mehr weiter wussten, riefen sie einen weisen, alten Mann um Hilfe. Der Weise kam schon bald auf seinem Kamel angeritten und sagte ihnen: "Ich gebe Euch mein Kamel." Die drei Brüder schauten sich an und verstanden nicht. Der alte Mann fuhr fort: "Nun bekommt der Älteste von Euch neun, der Zweitälteste sechs und der Jüngste zwei Kamele." Eines blieb übrig: und so er ritt fort auf seinem Kamel.

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Verhandlung hören? An einen großen Konferenztisch, an dem sich ein Dutzend Manager mit einem Tross von Anwälten gegenübersitzen und über die Zerschlagung von Milliardenunternehmen verhandeln? An Staatschefs mit einer Entourage von Staatssekretären und Botschaftern, die über Grenzziehungen und die Lösungen ethnischer Konflikte beraten?

Solche Szenarien gibt es, aber sie stellen lediglich einen Bruchteil der realen Verhandlungssituationen dar. Tatsächlich ist jede Verhandlung eine Entscheidungsfindung, bei der zwei oder mehrere Parteien versuchen, ihre entgegenstehenden Interessen zu lösen.1

Unsere erste Verhandlung führen wir mit unseren Eltern: Wir brüllen so lange, bis sie uns füttern. Als Kinder wollen wir Cola trinken, länger wach bleiben und mehr Taschengeld bekommen. Ein paar Jahre später wollen wir unsere Haare färben, bis Mitternacht ausgehen und das Auto fahren.

Sind wir erwachsen geht es weiter: Welches Familienauto kaufen wir? Wohin fahren wir in den Urlaub? Was essen wir heute? Sie verhandeln jedes Mal, wenn ein Polizist Sie anhält, Sie Ihr Parkticket verloren haben oder etwas ohne Kassenzettel umtauschen wollen. Im Beruf verhandeln Sie selbstverständlich mit Kunden, Vertrieblern oder Einkäufern um Preise und mit Ihrem Chef über Ihr Gehalt. Aber Sie verhandeln auch über die Umsetzung neuer Ideen. Jedes Mal, wenn Sie versuchen, jemanden von etwas zu überzeugen, verhandeln Sie - nämlich darum, wer Recht hat.

"Was haben Sie heute schon verhandelt?" Mit dieser Frage beginne ich mein Seminar zur Verhandlungstechnik und erst langsam wird allen bewusst, wie viele Alltagssituationen eigentlich Verhandlungszenarien darstellen - die Welt ist nichts als ein riesiger Verhandlungstisch!2 Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir sage und schreibe knapp vierzig Stunden pro Woche verhandeln.3 Ob diese Zahl nun auf Sie zutrifft oder nicht: Sie verhandeln jedenfalls häufig, und es würde Ihr Leben deutlich verbessern, wenn Sie jedes Mal besser abschneiden würden.

Vielen Menschen aber ist es sehr unangenehm, sie betrachten es als "Schachern" und als etwas, was auf einen Basar gehört, sicherlich aber keinen Platz in ihrem Leben hat.

Immer wenn sich mein afghanischer Großvater in England aufhielt, musste ihn mein Onkel Tooran, der damals in Oxford studierte, wie ein Privatsekretär umsorgen. Er fuhr ihn, organisierte seinen Tag und begleitete ihn auf seinen Einkaufstouren. Wo immer er gerade war, ob im vornehmsten Antikladen oder im Kaufhaus Marks& Spencer, mein Großvater feilschte stets. Er konnte nicht anders. Mein Onkel Tooran, mittlerweile eher Engländer als Orientale, schämte sich zu Tode: "Hier kann man nicht handeln", sagte er immer wieder. Umso erstaunter war er, dass mein Großvater fast immer erfolgreich war und so gut wie nie etwas ohne Nachlass kaufte, ob es eine alte chinesische Vase oder drei Glühbirnen waren.4 Aber er blieb ein Kuriosum. Doch das war in den achtziger Jahren.

Für Westeuropäer war das Handeln früher ein Spaß, den man sich im Urlaub in Ägypten oder Tunesien auf dem Basar machte. Hier jedoch war das Verhandeln etwas für sehr arme oder sehr geizige Menschen. Das hat sich mittlerweile völlig verändert. Spätestens seit Abschaffung des Rabattgesetzes ist es heute fast schon unüblich, nicht zu handeln, wenn man einen Fernseher oder ein Auto kauft.

Die Bereitschaft, bewusst zu verhandeln, erstreckt sich auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Geiselnahmen wurden noch vor wenigen Jahrzehnten relativ einfach gelöst: Man gab den Geiselnehmern ein paar Minuten, und wenn sie nicht herauskamen, wurde eben das Feuer eröffnet - häufig starben dabei Geiseln, Geiselnehmer und Polizisten. Das Vorgehen hat sich seitdem verändert: Man nimmt sich Zeit für eine ausgedehnte Verhandlung.5 Nicht, weil die Polizei ihre Liebe zu Geiselnehmern entdeckt hat, sondern weil die Verhandlung zu einem besseren Ergebnis führt - zu weniger Toten.

Als Kindern wird uns beigebracht, dass jeder am Ende das bekommt, was er verdient. Dieses als Just-World-Theorie6 (Prinzip der gerechten Welt) bekannte Phänomen ist einer der großen Irrtümer, die wir in uns tragen. Aber irgendwann fällt der Groschen und wir verstehen, dass wir nicht das bekommen, was wir verdienen, sondern das, was wir verhandeln.7

Und so gibt es für fast alles zwei Preise: den Preis für denjenigen, der verhandelt, und den Preis für die anderen. Damit geht täglich das Gefühl einher, dass wir besser hätten abschneiden können, wenn wir nur gewusst hätten, wie. Wie unangenehm ist es, wenn wir eine Wohnung kaufen und später erfahren, dass unser Nachbar für seine Wohnung 20 Prozent weniger bezahlte, einfach, weil er besser verhandelt hat? Wie wir in den unzähligen Verhandlungen von dem Moment unseres Aufstehens bis zu dem unseres Zubettgehens agieren, entscheidet darüber, ob wir uns als übervorteilten Trottel fühlen oder als cleveren Herrn der Lage.8

Vielleicht denken Sie, dass Sie häufig gar nicht verhandeln können, weil Sie es sich nicht mit Ihren Kunden, Kollegen oder Freunden verscherzen wollen. Täuschen sie sich nicht: Handeln kann eine Beziehung sogar verbessern. Oder haben etwa diejenigen Eltern eine bessere Beziehung zu ihren Kindern, die ihnen alles geben, was sie wollen?9

Können wir als seriöse Menschen nicht auf das Handeln verzichten? Jeder legt einfach sein bestes Angebot vor und der andere entscheidet sich. Der General Electric Manager Lemuel Boulware versuchte in den fünfziger Jahren genau das, als er Gewerkschaften ein faires Angebot auf den Tisch legte, ohne einen Verhandlungsspielraum zu bieten.10 Sehr schnell wurde diese Methode abfällig Boulwarism genannt und seine Gegenüber reagierten mit Wut und Rachegelüsten.11

Etwas ähnliches geschah in den frühen neunziger Jahren, als sich knapp 2?000 amerikanische Autohändler zusammenschlossen und sich zu einer Regel verpflichteten: Jedem Kunden solle von Anfang an ein fairer Preis genannt werden, und man könne sich nun die scheinbar lästige Feilscherei ersparen.12 Das Ergebnis? Nach wenigen Jahren sprangen fast alle Händler ab, weil Kunden sich unfair behandelt fühlten und ihr Auto lieber dort kauften, wo man mit ihnen handelte.

Menschen fühlen sich besser, wenn sie das Gefühl haben, das Ergebnis der Verhandlung beeinflussen zu können. Sogar dann, wenn sie im Ergebnis mehr bezahlen: Wenn Verhandler sehr hoch beginnen und einem dann langsam entgegenkommen, fühlen sich die meisten Kunden besser behandelt, als wenn ihnen ein fairer Preis vorgesetzt wird, an dem es nichts zu rütteln gibt.13

Menschen tun sehr viel dafür, ihr Leben zu verlängern, aber nur sehr wenig, um es zu verbessern.14 Mit wirksamen Verhandlungstechniken beschäftigen sich die Wenigsten. An Business Schools sieht das anders aus: Hier sind Verhandlungsseminare Pflicht und gehören zu den beliebtesten Kursen überhaupt. Ist das vielleicht einer der Gründe, weshalb ihre Absolventen - Berater, Banker, Manager - so überdurchschnittlich viel mehr verdienen als die Erfolgreichsten anderer Fachrichtungen? Unabhängig von Ihrem Beruf und Ihrer Ausbildung ist die Fähigkeit, gut zu verhandeln, der Weg, Widerstände auszuräumen, die Sie davon abhalten, Ihr ganz persönliches Potenzial abzurufen.

Mein letztes Buch Durchschaut über das Entlarven von Lügen hat sehr viele Leser in vielen Ländern der Welt erreicht. Wenn es kritisiert wurde, dann fast immer aus dem gleichen Grund: Es liefere keine neuen Erkenntnisse, alles, was in dem Buch stünde, seien die Ergebnisse der Praxis und Forschung der letzten Jahrzehnte. Dem kann ich nichts entgegnen, denn genau so ist es. Wenn jeder wieder bei Adam und Eva anfinge, kämen wir auch nicht weiter als Adam und Eva. Und so ist auch dieses Buch eine systematische Sammlung der umfangreichen Erkenntnisse zu Verhandlungen. Ich vertrete keine Verhandlungsschule und versuche nicht, Sie von einer besonderen Theorie zu überzeugen. Mich interessiert nur eines: Was funktioniert, und wie kann ich es nutzen?

Zwischen diesen zwei Buchdeckeln finden Sie die effektivsten Verhandlungstechniken, die Praxis und Forschung entwickelt haben. Das umfangreiche Literaturverzeichnis zeigt Ihnen, dass Sie hier nicht weniger als das destillierte Weltwissen über Verhandlungstechniken in den Händen halten.

Viele Beispiele stammen aus der Welt der Wirtschaft, was daran liegt, dass Verhandlungsforschung und -trainings traditionell für das Wirtschaftsleben konzipiert werden. Allerdings wirken die erfolgreichen Mechanismen universal, ob Sie nun um eine Airline verhandeln oder um einen Apfel. Hervorragende Verhandler können um alles hervorragend verhandeln und schlechte um nichts.15 Die besten Verhandler wissen, was Macht in einer Verhandlung bedeutet, und wie sie ihre Macht steigern können. Sie wissen, wie man innerhalb weniger Augenblicke eine Beziehung zum Verhandlungspartner aufbaut. Die besten Verhandler haben die Fähigkeit, die Interessen beider Parteien zu erkennen, und das zu bekommen, was für sie den höchsten Wert hat. Sie wissen, wann sie das erste Angebot vorlegen und wann sie lieber schweigen sollten. Sie benutzen objektive Standards zu ihren Gunsten. Und sie wissen, wie sie dem anderen eine goldene Brücke bauen, auf der er ihnen entgegenkommen kann.

Die Kunst des Verhandelns besteht darin, wie man aus einem großen Schlüsselbund blitzschnell den passenden Schlüssel ergreift. Wenn Sie die falschen Techniken anwenden, ist es nicht nur, als ob Sie keinen Schlüssel hätten, es ist noch viel schlimmer, da Sie sich in trügerischer Sicherheit wiegen; so als ob Sie mit einem Stadtplan von Hamburg in Berlin herumfahren würden.

Mit den hier beschriebenen Techniken werden Sie in großen Verhandlungen Millionen sparen, aber auch aus den Zehntausenden kleiner Verhandlungen in Ihrem Leben mit dem Maximum herausgehen. In privaten Angelegenheiten werden Sie Ihre Freunde und Familie von den Urlaubsorten Ihrer Wahl überzeugen und sich seltener streiten. Sicherlich werden Sie einige der hier beschriebenen Methoden schon genutzt haben. Aber bald werden Sie verstehen, warum sie funktionieren, und wie Sie sie am effektivsten einsetzen. Wie und ob Sie diese Techniken einsetzen, ist selbstverständlich Ihre Entscheidung. Ich sage niemandem, was er tun soll, ich zeige Ihnen nur, was möglich ist. Zumindest helfen Ihnen die beschriebenen Techniken, zu erkennen, wann gewiefte Verhandler Sie manipulieren wollen.

Werden Sie nach der Lektüre immer alles bekommen, was Sie wollen? Leider nein. Die Techniken funktionieren häufig, aber nicht immer. Aber das Gesetz der großen Zahlen arbeitet für Sie: Wenn Sie bei jeder Verhandlung Ihre Chance erhöhen, besser abzuschneiden, werden Sie insgesamt genau um diesen Prozentsatz mehr Erfolg haben als ohne die Kenntnis der Techniken. Stellen Sie sich vor, jede Verhandlung wäre ab heute 10 Prozent profitabler für Sie oder Ihr Unternehmen: Was für eine außergewöhnlich positive Entwicklung wäre das!

Zu guter Letzt noch ein paar Anmerkungen: Anchoring, Bogey, Overcommitment - die Verhandlungskunst ist ein Bereich, der sehr mit der englischsprachigen Welt verwurzelt ist, was sich in dem ein oder anderen - selbstverständlich im guten alten Deutsch erläuterten - Fachausdruck widerspiegelt.

Damit das Buch besser lesbar ist, habe ich es in einem Geschlecht geschrieben - um es zu ermitteln, werfe ich stets eine Münze (Kopf für männlich, Zahl für weiblich), und zwar solange, bis Kopf kommt - denn im eigenen Geschlecht schreibt es sich am besten.

Über das Buch verteilt finden Sie Boxen, in denen interessante Fakten erklärt werden. Vor allem aber werden hier psychologische Denkfallen bei der Verhandlung aufgezeigt, vor denen Sie sich besser in Acht nehmen sollten.16

Noch einmal zu den drei Söhnen mit ihren Kamelen. Die Lösung des alten Mannes ist der Königsweg der Verhandlung: Jeder bekommt, was er will. Nach der Lektüre werden Sie erkennen, dass es häufiger ein achtzehntes Kamel gibt, als Sie jetzt vielleicht denken.

TEIL I

DIE MACHT

MACHT VERSTEHEN

"Du erreichst mehr mit einer Pistole in deiner Hand und netten Worten als nur mit netten Worten."

Al Capone

Als Theodore Roosevelt sich 1912 im Endspurt seiner Präsidentschaftskandidatur befand, reiste er quer durchs Land und hielt Reden in unzähligen Städten - vor der Zeit von Radio und Fernsehen war das der einzige Weg, Wähler zu erreichen.1 Sein Wahlkampfteam ließ drei Millionen Broschüren mit seinem Redetext drucken, die bei den Veranstaltungen verteilt werden sollten. Auf dem Cover war ein präsidiales Foto Roosevelts zu sehen. Kurz vor Beginn der Reise fiel einem Mitarbeiter des Wahlkampfteams ein kleiner aber verhängnisvoller Schriftzug auf dem Bild auf: "Moffet Studios Chicago". Und tatsächlich: George Moffet hielt die Rechte an dem Bild. Sollten sie die Broschüren dennoch verteilen, könnte er einen Dollar pro unautorisierter Kopie des Bildes verlangen, insgesamt also die für damals astronomische Summe von drei Millionen Dollar, die Roosevelts Wahlkampfkasse gesprengt hätte. Für das Wahlkampfteam sahen die Optionen so aus: Ohne die Broschüre setzten sie die Präsidentschaft aufs Spiel. Verwendeten sie die Broschüre, liefen sie Gefahr, dass es einen Skandal gäbe und sie ruiniert wären - gewissermaßen eine Wahl zwischen Arsen oder Zyankali. Moffet, so schien es, hielt alle Macht in seinen Händen - auch wenn er von der Situation noch gar nichts wusste.

Was tun? Die Wahlkampfmannschaft ging zu Kampagnenchef George Perkins, seines Zeichens Eisenbahnmagnat und Partner des Bankhauses J.?P. Morgan. Dieser fackelte nicht lange und ließ umgehend ein Telegramm an Moffet schicken: "Wir planen, Millionen von Broschüren mit Roosevelts Bild auf dem Cover zu verteilen. Es wäre großartige Werbung für das Fotostudio, dessen Bild wir nehmen. Wie viel zahlen Sie uns, damit wir Ihres verwenden?" Die Antwort kam prompt: "Wir haben das noch nie gemacht, aber unter diesen Umständen freuen wir uns, Ihnen 250 Dollar zu bieten." Obwohl er sicherlich wusste, dass er noch ein paar Hunderter mehr hätte rausschlagen können, nahm Perkins an. Und Moffet? Er hätte bestimmt viele Tausend Dollar bekommen können, erhielt aber immerhin die Werbung seines Lebens.

Selbst in scheinbar ausweglosen Situationen können Sie also Ihre Macht oder zumindest die Wahrnehmung Ihrer Macht erhöhen.

Für den britischen Verhandlungsprofi Gavin Kennedy ist Macht die Essenz des gesamten Verhandlungsprozesses.2 Stellen Sie sich vor, Ihr vierjähriger Sohn weigert sich, seinen Spinat zu essen.3 Wer hat die Macht? Sie sind vielleicht Partner einer internationalen Großkanzlei und Ihr Sohn kann noch nicht einmal seinen Vornamen (Kurt) mit weniger als fünf Fehlern schreiben. Ganz egal. In dem Moment kann nur er das tun, was Sie wollen, nämlich den Spinat essen. Anders als ihm ist Ihnen ist die Sache aber auch noch wichtig. Macht ist abhängig von Situationen. Scheinbar Machtlose haben häufig die Macht, ob es nun Ihr Kind ist oder der sture Schalterbeamte. Die reichsten Länder der Welt mit riesigen Armeen sind machtlos, wenn ein einfacher Geiselnehmer mit einer einzigen Pistole fünf Menschen in seiner Gewalt hat.4 Die Polizei kann das Gebäude umstellen und auf den nächsten Schritt des Geiselnehmers warten, viel mehr aber nicht. Wenn Sie das Gebäude stürmt - wie es vor wenigen Jahrzehnten noch gang und gäbe war - ist die Chance hoch, dass einige Geiseln dabei ums Leben kommen. Das Machtverhältnis auszugleichen, hieße für die Polizei, Freunde und Verwandte des Geiselnehmers aus ihren Häusern zu zerren und dem Geiselnehmer mit ihrer Ermordung zu drohen: "Wir haben Ihre Mutter. Wir zählen bis drei und Sie sind Halbwaise."5

Die Macht zu verstehen und - trotz widrigster Umstände - zu Ihren Gunsten zu steuern, ist der Kern jeder Verhandlung.

Macht als Gefühl

James Stockdale war einer der höchstdekorierten US-Offiziere aller Zeiten.6 Während des Vietnamkrieges wurde er von den Vietcong gefasst und sollte gezwungen werden, in einem Propagandafilm gegen die USA aufzutreten. Ausgerechnet er, der mit einigen anderen Häftlingen den Widerstand unter den Kriegsgefangenen organisiert hatte. Ein abgemagerter Mann in einer Zelle - welche Wahl hatte er?

Kurz vor den Dreharbeiten nahm er den Hocker in seiner Zelle, drosch auf sein Gesicht ein und verwandelte es in blutigen Matsch. Kein gutes Motiv mehr für einen Propagandafilm, der nie gedreht wurde.

Welche Macht haben Sie, wenn Sie jemand mit vorgehaltener Waffe überfällt? Ein amerikanischer Senator sagte dem Räuber folgendes: "Töten Sie mich ruhig. Ich habe Krebs im Endstadium. Ich habe über Selbstmord nachgedacht, aber dann würde meine Frau die Lebensversicherung nicht bekommen. Wenn Sie mich töten, helfen Sie meiner Familie". Eine Räuberpistole aber ein effektives Mittel gegen eine ebensolche, mit der der scheinbar übermächtige Räuber all seiner Macht beraubt wurde und abzog.

Auch wenn Sie glauben, dass Sie absolut nichts machen können, gibt es immer einen Hebel, und Sie haben mehr Macht, als Ihnen bewusst ist.

Stellen Sie sich vor, Sie sind gerade knapp bei Kasse.7 Nach einigen Wochen, in denen Ihre Kinder mit Decken im winterlichen Wohnzimmer vor einer kargen und ungeschmückten Weihnachtstanne vom letzten Jahr sitzen und Ihre Frau mit Scheidung droht, rappeln Sie sich auf und gehen zur Bank, um einen Überbrückungskredit zu beantragen. Wählen Sie Ihre abgewetztesten Kleider, um den Angestellten von Ihrer Bedürftigkeit zu überzeugen und Mitleid bei ihm zu erwecken? Sagen Sie ihm, dass Ihre Kinder gerne ein Weihnachtsfest ohne Tränen feiern möchten und versprechen Sie ihm, wenn auch keine Rückzahlung, so doch zumindest Lohn im Jenseits? Wohl kaum. Banken geben dem Geld, von dem sie glauben, dass er es nicht braucht. Einen Kredit zu geben, ist eine Wette auf die wirtschaftliche Stabilität einer Person: Das Geld ist weg, wenn die Bank die Wette verliert. Wenn derjenige, der sich das Geld geliehen hat aber über Nacht auf eine Ölquelle stößt, wird er der Bank zum Dank wohl kaum das Doppelte zurückzahlen. Die Bank muss ihr Risiko minimieren. Je weniger bedürftig Sie wirken, desto höher Ihre Chance auf das Geld. Vor allem aber: Sehen Sie sich auch in dieser Situation nicht als Bittsteller. Machen Sie sich klar, dass der andere ebenso Zwängen unterworfen ist. Eine Bank lebt davon, Kredite zu vergeben, sie tut Ihnen damit keinen Gefallen. Es gibt sogar Werbekampagnen, um Menschen zu überzeugen, ihr Geld von genau dieser Bank zu leihen.

Es ist ein weit verbreitetes Gefühl unter Verhandlern, die andere Partei für mächtiger zu halten als sich selbst.8 Denn sie sehen ihre Zwänge, Ängste und Fristen klar vor Augen, nicht aber die des Gegenübers, der scheinbar sorglos auf seinem Sessel sitzt. Der Vertrieb betrachtet den Einkauf als die große Macht, der Einkauf hingegen wähnt alle Macht bei den Zulieferern. Gewerkschaftler sehen in den Managern die geballte Macht des Kapitals, die Unternehmensführung wiederum sieht sie bei den Arbeitnehmern. Verkäufer sind besessen von der Macht der Käufer und der der Konkurrenz. Sie fokussieren sich auf ihre Schwächen und glauben den Käufern bereitwillig, wenn diese von der Konkurrenz schwärmen.

Aber niemand bietet genau das, was Sie bieten. Machen Sie sich die Einzigartigkeit Ihres Verhandlungsgegenstands bewusst. Häufig unterliegen Einkäufer Vorgaben aus dem Unternehmen: Spezialisten können angeblich nur mit Ihrem Produkt arbeiten, ganz egal, ob es teurer ist als das der Konkurrenz. Vielleicht aber gibt es auch Vorgaben, dass das Unternehmen nur Lieferanten ab einer bestimmten Unternehmensgröße wählen darf, oder dass das Unternehmen grundsätzlich zwei Lieferanten für eine Ware hat. Gerade Großunternehmen, mit ihren stadtartigen Gebäudekomplexen, ihren riesigen Fuhrparks und ihren scheinbar unbegrenzten Mitteln erscheinen übermächtig. Die Wahrheit ist: Sie sind es nicht. Vielmehr sind sie wie ein riesiges Schiff, das, wenn es einmal Kurs in eine Richtung aufgenommen hat, fast nicht zu stoppen ist.9 Zu viele Parteien sind beteiligt und niemand will derjenige sein, der den Deal platzen lässt.

Wenn Sie zu Ihrem Chef gehen, um eine Gehaltserhöhung auszuhandeln, dann denken Sie sich, dass es sicherlich Tausende gäbe, die Ihren Job gerne machen würden. Der Vorgesetzte aber hat Angst, Sie zu verlieren und fragt sich, wie er Sie gleichzeitig zufriedenstellen und sein Budget einhalten kann. Macht bedeutet nichts anderes, als über Wohl und Wehe des anderen zu entscheiden, wobei am mächtigsten derjenige wahrgenommen wird, der dem anderen am meisten Schaden zufügen kann. Fragen Sie sich: Was ist das schlimmste, das mir mein Gegenüber antun kann?10 So merken Sie, dass er eigentlich gar nicht viel machen kann. Auch wenn Sie keinerlei Macht bei sich wähnen, können Sie immer noch Ihre Kooperation beenden. Diesen Weg beschritt Gandhi, der Indien von der scheinbar übermächtigen Kolonialmacht Großbritannien ohne eine einzige Waffe befreite.

In ganz seltenen Fällen mag das Gefühl von Machtlosigkeit angenehm sein.11 So kann man sich für verschiedene Situationen als nicht verantwortlich fühlen: "Was hätte ich schon tun können?" In der Regel aber ist das Gefühl der Macht sehr förderlich für Ihr Wohlbefinden. Warum sind so viele Menschen so ungern im Krankenhaus? Weil Sie dort überhaupt keine Kontrolle haben. Warum fühlen Sie sich schlechter, wenn Sie im Bus sitzen und zu spät dran sind, als wenn Sie mit Ihrem Auto fahren?12

Wer hat also die Macht? - Sie, wenn Ihr Gegenüber davon überzeugt ist!13

Inhalt

Einleitung 7I. Die Macht 13Macht verstehen 15Macht erhöhen 27Von der Macht zum Ziel 45II. Die Kommunikation 51Die Beziehung zum Gegenüber 53Emotionen 73Informationen 81Alternative Kommunikationswege 99III. Die Interessen 105Bekommen, was Sie wirklich wollen 107IV. Die Tricks 141Ankern 143Das Prinzip der Gegenseitigkeit 158Fairness 169Framing 179V. Der Abschluss 187Overcommitment 189Drohungen 196Die goldene Brücke 202Die Schriftform 208Nachwort 217Das Puzzle zusammensetzen 224Dank 226Anmerkungen 227Literatur 254

Schlagzeile

Wie Sie endlich bekommen, was Sie wollen

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Da E-Books nur für eine begrenzte Zeit – in der Regel 6 Monate – herunterladbar sind, sollten Sie stets eine Sicherheitskopie auf einem Dauerspeicher (Festplatte, USB-Stick oder CD) vorsehen. Auch ist die Menge der Downloads auf maximal 5 begrenzt.

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