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Flachsinn

Ich habe Hirn, ich will hier raus, plus E-Book inside (ePub, pdf)

Erschienen am 16.02.2017
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593505176
Sprache: Deutsch
Umfang: 262 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 22 x 14.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Hirn verpflichtet! Störfeuer im Sekundentakt. Im Netz werden wir dauerbeschossen mit Sensationen und schießen infolgedessen immer kräftiger zurück. Nie zuvor war das Erzeugen von Rummel leichter. Ob in Politik, Wirtschaft oder anderen gesellschaftlichen Bereichen: Es wird schneller, lauter und dümmer. Flachsinn regiert! Internetvordenker Gunter Dueck führt uns in seinem neuen Buch die Geschäfte der Aufmerksamkeitsprofis vor Augen und lotst uns mit spitzer Feder durch die Sudelgebiete des Netzes, in denen jeder "Dreck" zum Ereignis wird. Aber er zeigt auch den Ausweg: mehr Hirn im Aufmerksamkeitsgerangel, mehr Verantwortung. Auch echter Inhalt kann sexy sein. Was hindert uns, das Echte im Netz zurückzuerobern? Dieses Buch ist Balsam für den vom Netz gestressten User. Gewohnt genial - ein echter Dueck! Garantiert ohne moralischen Zeigefinger. "Dueck ist ein genauer und gnadenloser Beobachter. Mit Leichtigkeit verbindet er mathematische Gesetze, philosophische Diskurse, amerikanische Poeten und bissige Randbemerkungen." Harvard Business Manager zu "Schwarmdumm"

Autorenportrait

Gunter Dueck war Mathematikprofessor und bis August 2011 Chief Technology Officer bei IBM. Seitdem lebt er im Unruhestand. Er arbeitet als Autor, Blogger, Netzaktivist, Business Angel und Speaker und widmet sich weiterhin unverdrossen der Weltverbesserung. Bei Campus erschienen seine Bücher 'Das Neue und seine Feinde' (2013), 'Schwarmdumm' (2015), 'Flachsinn' (2017), 'Heute schon einen Prozess optimiert?' (2020) und 'Keine Sinnfragen, bitte!' (2022).

Leseprobe

Einleitung Das Smartphone vibriert, klingelt oder surrt. Zing! Das ist der Messenger. Eine Melodie von eBay zeigt an, dass eine Auktion in den nächsten Minuten endet. Freunde schicken Fotos, News versprechen uns "Drei Minuten, nach denen du bestimmt lange weinen musst" oder "Wenn du dieses Bild siehst, wird sich dein Leben auf der Stelle für immer verändern". Das Netz ist eine Welt der Wunder: Politiker betreiben simples Selbstmarketing, statt ihre eigentliche Arbeit zu tun, und fordern uns im Gegenzug auf, mal schnell unser Verhalten zu ändern - am besten natürlich "langfristig" und "nachhaltig". Manager fordern harsch immer mehr Extrameilen von uns ein, die alle ihre (!) Probleme beseitigen. Für jede Schieflage in unserem Leben gibt es im Internet Rat von allerlei Coaches und Therapeuten, es gibt Heilslehren und Globuli. Spezial-Militante empören sich unentwegt gegen überhaupt alles, meist sehr vehement. Darunter sind viele sogenannte Trolle und Hater, sie fluten Hass oder sadistische Obstruktion. Unternehmen mischen sich schmeichelnd mit "gesponserten" Meldungen in die sozialen Netzwerke hinein - es sind lästige Wölfe, die dem naiven Rotkäppchen die wunderschönen Blumen tief im Wald zeigen und es vom Wege locken wollen. Sie haben weiße Pfoten (aus einem anderen Märchen, nachdem sie schon Kreide gefressen haben). Ablenkung im Sekundentakt. Ein Hirn-Quickie nach dem anderen. Ein Tor in Barcelona, eine hühnergrippale Taube auf den Osterinseln. Jetzt wieder verstörende Verschwörungstheorien über geheime Konzentrationslager, unterirdische Städte für Reiche nach dem Atomkrieg, über Chemtrails oder von Black Goo. Was davon, bitte, ist jetzt wichtig? Was stimmt denn nun? Ist es uns überhaupt wichtig, ob es stimmt? Wollen wir wirklich viel Wahres wissen, wirklich eine Menge lernen oder einfach nur Entertainment konsumieren? Wir genießen das Faszinierende, das Unbekannte oder das Schockierende. Unsere Aufmerksamkeit wird besonders vom Schrillen, Extremen und Exotischen eingefangen. Wir schwelgen. Es gibt eine ganze Industrie, die die Überschwemmung mit solchen Hirn-Quickies dazu nutzt, uns etwas nebenbei per Werbung oder neudeutsch über Ads zu verkaufen oder einzureden. Das wissen wir natürlich, aber wir stören uns nicht wirklich daran. Rotkäppchen findet die vielen schmeichlerisch freundlichen Wölfe so richtig cool. Unser Hirn suchte einst nach der Wahrheit, es grübelte, forschte, suchte, diskutierte und stritt. Es gab, sagt man, noch die Geduld, neue Gedanken sacken und reifen zu lassen. Heute hat unser Hirn die Möglichkeit, alles einfach nur genießend zu konsumieren. Die Ernsthaftigkeit zur wirklichen Auseinandersetzung bleibt auf der Strecke. "Too much!" "Nur Quatsch!" Vor diesem Zuviel wird heute immer eindringlicher gewarnt. Ja, und wir sollten uns alle an der Nase fassen und uns an die zweite Inschrift am Orakel von Delphi erinnern: Medén àgan, alles mit Maß. "Sieh die Goldene Mitte. Bleib auf dem Weg." Da ging der Wolf ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er: "Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die ringsumher stehen. Warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, dabei ist es so lustig draußen in dem Wald." Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tag, dass ich doch zu rechter Zeit ankomme, lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände eine schönere, und lief danach und geriet immer tiefer in den Wald hinein. Erinnern Sie sich an diesen Text aus den Grimm'schen Märchen? Den bekamen wir vorgelesen. Blumen und Wölfe lenken uns vom Wege ab, das wird hier das große Thema sein. Im bunten Leben gibt es wundervolle Blumen, giftige Beeren, manchmal essbare Pilze und viele, viele Wölfe mit speziellen Absichten, die Rotkäppchen auf ihre speziellen Abwege führen wollen. Und wir alle wissen doch noch, was vorher die Mutter zum Rotkäppchen sprach? "Wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Wege ab." Unser Wald ist das Internet, und die Wölfe und Blumen des 21. Jahrhunderts sind die Werbetreibenden, die Propagandisten, Netzbanditen oder Wahlkampfpolitiker, die uns locken wollen, ihnen unsere Aufmerksamkeit für ihre in Blüten gepackten Absichten zu schenken. Es gibt immer mehr und so vieles, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken wollen und sollen. Leider ist unsere Aufmerksamkeit ein Gut, das wir nur begrenzt zur Verfügung haben und das deshalb umso gieriger umworben wird. Um unsere Aufmerksamkeit einzufangen, sammeln sie Kenntnisse über uns - sie wollen unsere Daten, damit sie uns leichter in ihrem Sinne ablenken können. Wer diese Daten über uns hat, ist im Vorteil. Längst sind die Daten gutes Geld wert, viele sagen, gute Daten seien wie das Erdöl des 21. Jahrhunderts. Denn wer etwas Interessantes zu zeigen hat, kann mit einem bunten Strauß von Werbung drum herum sofort mit dem Verdienen loslegen. Aufmerksamkeit ist die neue Währung unserer Zeit, und die Daten helfen, mehr Aufmerksamkeit zu ernten - so wie gute Siebe wichtig zum Goldwaschen sind. Wir leben in einer Welt des Überflusses, in der es trotzdem und gerade deswegen gilt, sich selbst und alles andere gut zu verkaufen. Wir selbst ringen um Aufmerksamkeit. Wer bekommt die Mietwohnung in Schwabing? Wir müssen bei der Wohnungsbesichtigung mit dem Immobilienmakler zwanzig andere Familien ausstechen, die sich mit uns um die schön teure Wohnung bemühen. Wir wollen der beste Bewerber unter hundert sein, der diese eine tolle Top-Stelle bekommt. Wir wollen eine Bewerbung einreichen, die so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dass sie der Personaler nach kürzestem Überfliegen auf den richtigen Stapel der engeren Wahl legt. Auch wir wollen händeringend Aufmerksamkeit! Heute gewinnt meist derjenige, der es versteht, starke positive Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen - sofort und auf der Stelle! Blicke einfangen! Den Atem stocken lassen! Ein Werbeplakat muss nach Sekundenbruchteilen in einen Kaufklick münden, sonst vergessen wir das Beworbene unter immer neuen Eindrücken. Ein zu langer Erklärungssatz eines langatmigen Redners im Fernsehen - zapp und weg. Und ein Manager hat heute oft fünfzig Mitarbeiter, die er nur selten persönlich spricht - er hat ja keine Zeit. Daher haben wir oft nur wenige und deshalb wirklich entscheidende Minuten beim Chef: Wie ist sein Eindruck? Bekommen wir jetzt eine günstige Entscheidung? Mal sind wir Wolf, mal Rotkäppchen. Mal überreden wir, mal werden wir verführt. Wir verlieren uns immer leichter und zeitlich ausgedehnter im Trubel. Wir vergessen heute nur allzu leicht den Rat der Mutter, der uns vor dem Verlassen des rechten Weges warnte. Und nicht nur das: Wir sehen in vielen Fällen den Weg gar nicht mehr. Schon die Unterscheidung zwischen Weg und Abweg wird immer schwieriger. Wir bewegen uns, besonders im Netz, wie in einem "Neuland", wie es Angela Merkel so treffend benannte. Das Aufmerksamkeitsland Internet sieht aus wie ein frühes Amerika in den Wildwestfilmen. Goldgräber in Saloons, Trapper, Viehdiebe, Cowboys und Sheriffs zwischen frommen Puritanern, die doch nur Landwirtschaft betreiben wollen. Sie alle denken an ein Land der Träume und der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich werde mit Ihnen dieses Aufmerksamkeitsland betreten und seine Akteure und seine Gesetzmäßigkeiten beschreiben. Und zeigen, wie es sich von früheren Machtwelten unterscheidet: Ein Blick in eine Welt, die mit Wissenschaft und Algorithmen hinter uns her ist, um uns zu Klicks und Wahlentscheidungen zu bringen, eine Welt, in der oft die Inhalte (Artikel, Bilder, Meinungen) schon nicht mehr für sich erzeugt werde...

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