Beschreibung
Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Unter Toyota Produktionssystem (TPS) versteht die Mehrheit der deutschsprachigen Führungskräfte außergewöhnliche Methodenkenntnis und die perfekte Beherrschung von Produktionsprozessen. Außenstehende vermuten hinter dem TPS oft eine versteckte Methode zur Rationalisierung. Was aber kaum jemand weiß: Hinter dem TPS steht eine auf Wertschätzung und Achtung vor dem Individuum basierende Kultur. Aino Bender-Minegishi ist eine intime Kennerin der japanischen Arbeitswelt und beschreibt in ihrem Buch erstmals den ganzheitlichen Ansatz des TPS, der ohne Menschen nicht zu denken ist. Nur wer Kopf, Herz und Hände der Mitarbeitenden anspricht, wird meisterhaftes Personal auch in seiner Firma hervorbringen.
Autorenportrait
Aino Bender-Minegishi kam 1998 als Dolmetscherin erstmalig mit dem Toyota Produktionssystem in Berührung. Seitdem arbeitet sie als selbstständige Dolmetscherin und Trainerin in der Lean-Beratung. Für Führungskräfte, die das "Original" erleben wollen, organisiert sie Japan- Study-Tours.
Leseprobe
Vorwort Bei einem deutschen Automobilhersteller mündet das Montageband in einen riesigen "Finish"-Bereich. Dort stehen mindestens 30 frisch gefertigte High-End-Limousinen, die von einem umfangreichen Mitarbeiterstab "feinbearbeitet" werden. Was dort euphemistisch als "Finish" bezeichnet wird, ist nichts anderes als Nach-bearbeitung. Fehler und Mängel, die während der Bearbeitung nicht behoben oder nicht bemerkt wurden, werden hier - soweit es geht - ausgebessert. Besucht man ein Montagewerk des japanischen Vorzeigeunternehmens Toyota, kann man vom letzten Montageschritt des Fließbandes das Ausgangstor der Werkshalle sehen. Vor der Fahrt zum Verladeplatz auf dem Werksgelände wird jedes Automobil einer letzten Funktionsprüfung und Sichtkontrolle unterzogen. Innerhalb von wenigen Minuten fährt der Wagen durch das Tor. Ein Nachbearbeitungsbereich zur Behebung von Qualitätsmängeln ist nicht vorgesehen. Die Automobilisten sind bei uns die Vorreiter im Lean Management - der amerikanischen Interpretation des Toyota-Produktions-systems (>TPS). Seit fast zwanzig Jahren wenden sie die Prinzipien, Methoden und Werkzeuge aus dieser einzigartigen japanischen Unternehmensphilosophie an. Den großen Effizienzsprung haben sie trotzdem nicht geschafft. Was nach außen weiterhin als "deutsche Wertarbeit" firmiert, bedeutet nach innen einen täglichen Kampf mit Qualitätsproblemen auf allen Ebenen. Und für den Kunden: ein "Wagen voller Pflaster" - wie es ein japanischer TPS-Berater treffend bezeichnete1 -, für die er auch noch zahlen muss. Wenn wir im Westen oder in Deutschland an Qualität denken, dann denken wir in erster Linie an die Beschaffenheit eines fertigen Produktes. Seit der Einführung von "Lean" auch an die >"Qualität im Prozess", vor allem in der Produktion. Langsam haben wir Leaner auch verstanden, dass es genauso um die Qualität der Informationen geht - also um einwandfreie Abläufe in den Büros. Aber wo beginnt gute Qualität? Beginnt sie nicht mit jedem Handgriff, der gemacht wird: beim Verfassen einer E-Mail, beim Säubern eines Werkzeuges, bei der Ablage einer Unterlage? Gute Qualität ist das Ergebnis guter Arbeit: präzises, verbindliches und vorausschauendes Handeln. "Kleinvieh macht auch Mist" - so ermahnte mich meine Großmutter, wenn ich zu faul war, einen Pfennig vom Boden aufzuheben. Dieses Grundprinzip gilt auch andersherum im Arbeitsalltag: Bei den meisten großen Katastrophen, die bei der Arbeit passieren, ist die Ursache das Zusammentreffen einer Vielzahl von Ungenauigkeiten, kleiner Fehler und Nachlässigkeiten. Die Beteiligten sind sich in solchen Fällen schnell einig, hat es sich bei dem "Fall" doch um eine "Verkettung ungünstiger Umstände" gehandelt. Mit anderen Worten: Das ist Schicksal - dagegen kann man nichts machen! Oder vielleicht doch? Seit fast zwanzig Jahren befasse ich mich mit dem Toyota-Produktionssystem und ich habe immer wieder festgestellt: Man kann so viel >Kanban und >Poka-Yoke einführen, >5S betreiben und Prozesse standardisieren, wie man will, Voraussetzung für den Erfolg von >"Lean" ist eine bestimmte Arbeitshaltung, wie sie Teil der Arbeitskultur des "Toyota-Way" ist. Sie prägt das Qualitäts- und Problembewusstsein und definiert den Maßstab bei der Beurteilung eines jeden noch so kleinen Handgriffes, ob es heißt: "Passt schon!" Oder: "Das geht noch besser!" Ich habe zehn Jahre lang an der Seite des japanischen TPS-Beraters Morihiro Takano - vormals in leitender Funktion bei Isuzu Motors und einer der wenigen, die noch direkt von Taiichi Ohno, der als Gründervater dieses Produktionssystems bezeichnet wird, gelernt haben - gearbeitet. In dieser Zeit habe ich nicht nur das TPS von der Pike auf gelernt, sondern vor allem erfahren, was "gute Arbeit" bedeutet. Mein Lehrmeister war von bestechender Professionalität: immer bestens organisiert, nie ließ er etwas schleifen, erledigte alles umgehend, sehr genau und war dabei nie in Eile. Alles, was er in die Hand nahm, "saß". Er stellt damit keine Ausnahme unter japanischen Managern renommierter Unternehmen dar. Die genannten Eigenschaften bilden dort die Mindestanforderungen an die Arbeit und je höher die hierarchische Position, umso professioneller die Mitarbeiter. Gilt das auch bei uns? Wenn wir Lean in unseren Unternehmen einführen oder wenn Lean-Experten das Know-how dafür vermitteln, handelt es sich ausschließlich um die Methoden, Werkzeuge und bestimmte Prinzipien dieses japanischen Produktionssystems. Allerdings ist die erste Stufe des als "TPS-Haus" bekannten Modells des Fertigungssystems von Toyota die Prozessstabilität - erst darauf bauen weitere Konzepte wie >Standardisierung und >KVP auf. Diese Grundstabilität wird von den Verantwortlichen und Lean-Experten geflissentlich übersehen. Vermutlich wird sie vorausgesetzt - und da liegt bereits der Hund begraben: Unser Haus ist auf wackeligem Boden gebaut. Denn wie soll man von Konzepten, wie >Just-in-Time und >Jidoka reden, wenn es eine Firma noch nicht einmal schafft, rechtzeitig (wirklich) einwandfreie Ware zu liefern? Wie gut in einem Unternehmen gearbeitet wird, ist eine Frage der Arbeitskultur: der Werte, des Verhaltens-Kodex und einer genauen Vorstellung von guter Arbeit. Wenn wir auch nur annähernd an das Niveau von Toyota herankommen wollen, müssen wir die herrschende Arbeitskultur in unseren Unternehmen kritisch hinterfragen. Ich habe in meiner ganzen beruflichen Laufbahn bisher nicht ein Unternehmen erlebt, das eine klare Antwort, geschweige denn konkrete Richtlinien, auf diese Fragen formulieren konnte. Das Ergebnis ist eine Kultur des Laissez-faire, bei dem jeder so ziemlich nach eigener Schnauze arbeitet. Da ist es kein Wunder, dass die gesteckten Ziele - und dazu gehört auch Lean - nicht erreicht werden. Und nicht nur das: Die Frustration bei den Mitarbeitern ist am Ende des Tages hoch, weil die "Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten". Mit albernen Teambuilding- oder Motivations-Events kommt man dagegen nicht an. Sicherlich liegen wir im Ländervergleich, was Effizienz und Qualität angeht, weltweit ganz vorne mit dabei, nicht umsonst haben wir den Ruf der "perfektionistischen Deutschen". Aber zwischen uns und Toyota liegen definitiv noch Welten. Der wichtigste Leitsatz bei Toyota lautet: "Making things means making people". Auch in unseren Unternehmen wird permanent über Mitarbeiterentwicklung geredet. Die erschöpft sich nur meistens in irgendwelchen Seminarbesuchen oder Beförderungen. Aber wer bringt eigentlich Mitarbeitern das "Arbeiten" bei? Unsere Schulen oder Berufsschulen? Die Universitäten schon gar nicht und leider genauso wenig die Unternehmen selbst. Aber Arbeiten muss wie alles andere erlernt werden und das kann nur Aufgabe des Unternehmens sein. Ich habe einen Versuch unternommen, in einem "Human-Modell" zusammenzustellen, was einen solchen Toyota-Mitarbeiter idealtypisch ausmacht. Was sind seine Überzeugungen und Werte und worin liegt seine "Professionalität" abseits von spezifischem Fach- und Methodenwissen? Was braucht der einzelne Mitarbeiter, was ist das notwendige persönliche "Rüstzeug", um TPS oder >Kaizen zum Fliegen zu bringen? Die Stärke von Toyota liegt nicht in ihrem System, sondern in einer ganz spezifischen Geisteshaltung - sie ist der Motor all dessen, was wir bei einem Werksbesuch vor Ort sehen können. Ihre Ursprünge sind tief im Arbeitsethos der tradierten >Monozukuri-Philosophie, der japanischen Kunst der Herstellung, verwurzelt. Der Leser mag an dieser Stelle aufschrecken und behaupten: "Mia san mia und die Japaner san die Japaner!" Zweifellos, allerdings kommen wir mit dem "Rosinenpicken", wie es die Lean-Welt im Westen vormacht, langfristig nicht weiter. Will ein Unternehmen sich für die Zukunft besser aufstellen, und wollen wir als Mitarbeiter mehr Erfüllung in der Arbeit finden - beides hängt untrennbar miteinander zusammen -, kommen wir an grundlegenden Fragen unserer Arbeitskultur nicht vorbei. Dafür müssen wir nicht so werden wie die Japaner. Dafür m...