Beschreibung
Wenn du dazu bestimmt bist, alles zu verlieren, was du liebst, wofür lohnt es sich dann noch, zu kämpfen? Als der Tag der fünfzigsten Hungerspiele anbricht, erfasst Angst die Distrikte von Panem. In diesem Jahr werden zu Ehren des Jubel-Jubiläums doppelt so viele Tribute aus ihrem Zuhause gerissen. In Distrikt 12 versucht Haymitch Abernathy, nicht allzu sehr über seine Chancen nachzudenken. Alles, was ihn interessiert, ist, den Tag zu überstehen und bei dem Mädchen zu sein, das er liebt. Als Haymitchs Name aufgerufen wird, spürt er, wie all seine Träume zerbrechen. Er wird von seiner Familie und seiner großen Liebe getrennt und zusammen mit den drei anderen Tributen aus Distrikt 12 zum Kapitol gebracht: einer Freundin, die fast wie eine Schwester für ihn ist, einem besessenen Quotenmacher und dem arrogantesten Mädchen der Stadt. Als die Spiele beginnen, wird Haymitch klar, dass er nur verlieren kann. Aber etwas in ihm will kämpfen. und diesen Kampf weit über die tödliche Arena hinaus klingen lassen.
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Leseprobe
1 'Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Haymitch!' Ein Gutes hat es, am Tag der Ernte Geburtstag zu haben: Man kann ausschlafen. Das wars aber auch schon an Vorteilen. Ein schulfreier Tag kann die Angst vor der Ziehung der Namen kaum wettmachen. Und spätestens wenn man mitansehen muss, wie zwei Kinder ins Kapitol verschleppt werden, um abgeschlachtet zu werden, vergeht einem der Appetit auf Kuchen, selbst wenn man noch mal davongekommen ist. Ich drehe mich auf die andere Seite und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf. 'Herzlichen Glückwunsch!' Mein kleiner Bruder Sid rüttelt mich an der Schulter. 'Du hast gesagt, ich soll dich früh wecken. Du willst doch in den Wald, wenn es hell wird, hast du gesagt.' Stimmt. Ich möchte unbedingt rechtzeitig vor der Zeremonie mit der Arbeit fertig sein, damit ich am Nachmittag Zeit für meine beiden Lieblingsbeschäftigungen habe - Nichtstun und mit meinem Mädchen zusammen sein, Lenore Dove. Leider funkt meine Ma mir bei beidem oft dazwischen, denn sie findet keine Arbeit zu hart, zu schmutzig oder zu schwierig für mich, und selbst die Ärmsten, sagt sie, könnten immer noch ein paar Pennys auftreiben, um ein wenig von ihrem Elend auf jemand anders abzuwälzen. Aber heute gibt es ja zwei besondere Anlässe, und da gönnt sie mir bestimmt ein bisschen Freiheit, solange ich meine Arbeit nicht vernachlässige. Nur die Spielmacher könnten mir einen Strich durch die Rechnung machen. 'Haymitch!', quengelt Sid. 'Die Sonne geht auf!' 'Schon gut, schon gut, dann steh ich jetzt auch auf.' Ich rolle mich von der Matratze runter auf den Boden und ziehe die Shorts an, die aus einem Mehlsack der Regierung geschneidert sind. Die Aufschrift MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DES KAPITOLS prangt wie ein Stempel auf meinem Hintern. Meine Ma wirft nichts weg. Sie ist schon früh Witwe geworden. Seit mein Pa bei einem Feuer im Bergwerk gestorben ist, bringt sie Sid und mich durch, indem sie die Wäsche anderer wäscht und noch das letzte Fitzelchen wiederverwertet. Aus der Asche von der Feuerstelle macht sie Seifenlauge. Eierschalen werden zermahlen und zu Gartendünger. Und diese Shorts wird eines Tages in Streifen gerissen und als Teppich enden. Ich ziehe mich zu Ende an und schubse Sid zurück in sein Bett. Sofort vergräbt er sich in seiner Flickendecke. In der Küche nehme ich mir ein Stück Maisbrot, das es zur Feier meines Geburtstags anstelle des groben, dunklen Zeugs aus Kapitolmehl gibt. Hinter dem Haus rührt Ma schon mit einem Stab in einem dampfenden Kessel voller Bergarbeitermonturen. Als sie einen Overall wendet, sieht man ihre Muskeln. Sie ist erst fünfunddreißig, aber die Alltagssorgen haben ihr bereits Furchen ins Gesicht gegraben. Sie sieht mich in der Tür stehen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. 'Alles Gute zum Sechzehnten. Auf dem Herd steht ein Topf mit Kompott.' 'Danke, Ma.' Ich löffele mir etwas von den eingekochten Pflaumen aufs Brot und gehe wieder nach draußen. Die Pflaumen habe ich neulich im Wald gefunden, aber heiß und gezuckert schmecken sie doppelt gut. 'Du musst heute noch die Zisterne auffüllen', sagt Ma, als ich an ihr vorbeigehe. Fließend kaltes Wasser haben wir zwar, aber es läuft so spärlich aus der Leitung, dass man ewig braucht, um einen Eimer zu füllen. Es gibt noch ein Fass mit reinem Regenwasser, das sie extra berechnet, weil die Kleider damit weicher werden, aber für die normale Wäsche nimmt sie unser Brunnenwasser. Zwei Stunden muss man pumpen und schleppen, um die Zisterne vollzukriegen, selbst wenn Sid mithilft. 'Hat das nicht Zeit bis morgen?', frage ich. 'Sie ist fast leer, und es wartet noch ein ganzer Berg Wäsche', antwortet sie. 'Dann heute Nachmittag, ja?', sage ich und versuche, meine Ungeduld zu verbergen. Wenn die Ernte um eins vorbei ist, kann ich um drei mit dem Wasser fertig sein und immer noch Lenore Dove sehen. Vorausgesetzt, wir sind keine von den Opferlämmern. Eine Nebeldecke legt sich schützend um die verwitterten grauen Häuser im Saum. Es könnte so friedlich sein, wären da nicht die vereinzelten Schreie von Kindern, die von Albträumen gequält werden. Je näher die Fünfzigsten Hungerspiele in den letzten Wochen rückten, desto häufiger wurden diese Schreie, desto häufiger wurden die bangen Gedanken, die ich mit aller Kraft fernzuhalten versuche. Das zweite Jubel-Jubiläum. Doppelt so viele Tribute wie sonst. Spar dir deine Sorgen, sage ich mir, kannst sowieso nichts dagegen tun. Wie zwei Hungerspiele auf einmal. Du hast keinen Einfluss auf den Ausgang der Ernte und was danach kommt. Also gib den Albträumen kein Futter. Verlier nicht die Nerven. Tu dem Kapitol nicht den Gefallen. Sie haben uns schon genug genommen.