Beschreibung
Buenos Aires in den 1940er Jahren. Marta und Carlos María, Cousine und Cousin, wachsen zusammen wie Geschwister in der Familie Hilaire auf. Wilde Kinderspiele auf dem weitläufigen Besitz wandeln sich im Lauf der Zeit zu anspruchsvollerem Zeitvertreib. Das Älterwerden bringt ein neues, irritierendes Interesse aneinander mit sich. Die Jahre vergehen, aus kindlichen und pubertären Neckereien entsteht ein verbotenes erotisches Spannungsfeld der Anziehung und Abstoßung. Als Rolando in Martas und Carlos Marías vertrauten Kosmos eindringt, scheinen sich die Beziehungen schmerzhaft zu klären. Carlos María ist zerrissen zwischen Eifersucht und heroischem Verzicht - bis ein rätselhafter Brief seines Vaters ihn auf die Spur eines Familiengeheimnisses bringt.
Autorenportrait
Julio Cortázar, 1914 als Sohn eines argentinischen Diplomaten in Brüssel geboren, lebte ab 1918 mit seiner Schwester und der Mutter in einem Vorort von Buenos Aires. Mitte der 1940er Jahre wurde er Professor für französische Literatur in Mendoza, emigrierte aber 1951 in Opposition zum Regime Juan Peróns nach Frankreich, wo er bis zu seinem Tod lebte. Ab 1952 arbeitete er für die UNESCO als Übersetzer, zudem übertrug er unter anderem "Robinson Crusoe" und die Erzählungen Edgar Allan Poes ins Spanische; der Einfluss Poes ist auch bei seinem eigenen Werk spürbar. Julio Cortázar starb 1984 in Paris. Er gilt als einer der großen lateinamerikanischen Autoren auf der Grenze zwischen Realismus und Phantastik.
Leseprobe
Kaum war sie aus Córdoba zurückgekehrt, hatte sie aufgehört, ihm einen Gutenachtkuss zu geben. Anstelle der Küsse drückte sie ihm die Hand, freundschaftlich, und ihn störte es nicht. Einen Kuss zu erheischen wurde zu einem schwierigen Unterfangen und war fortan Geburtstagen, Heiligabend und Erfolgen in der Hochschule vorbehalten. Ein stummer Widerstand gegen Martas und Rolando Yepes' Annäherung wuchs in ihm, und gern hätte er die Kühnheit besessen, Marta in einem stillen Moment in die Enge zu treiben, sie lange und heftig zu küssen, um sie für immer als seinen alleinigen Besitz zu zeichnen. Er malte es sich so lebhaft und köstlich aus, dass er es nicht in die Tat umzusetzen brauchte, aber was ihm davon blieb, war ein Verlangen, sich zu streiten, ihr ständig zu widersprechen. Mal brach der Zorn beim Essen los, mal im Studierzimmer, jede Nichtigkeit genügte. "Sie sind wie die Katzen", stellte Mama Hilaire untröstlich fest, "wie zankende Katzen." Carlos María dachte an das fürchterliche Geschrei nachts auf den Dächern. Aber er wusste auch, dass Katzen sich unter dem Vollmond nicht zanken, dass sie zwar schreien und fauchen, aber nicht im Kampf.