Beschreibung
Der MDR-Literaturwettbewerb ist der deutschlandweit am meisten nachgefragte literarische Wettbewerb. Er leistet Entdeckungsarbeit und präsentiert namhafte Autoren mit neuen Kurzgeschichten, einer so attraktiven wie anspruchsvollen literarischen Form. Dieser Band präsentiert aus mehr als 1500 Einsendungen die besten 25 Geschichten des 19. Jahrgangs. Darunter neue Kurzgeschichten von Kathrin Schmidt (Gewinnerin Deutscher Buchpreis 2009), Fabian Hischmann (nominiert für den Leipziger Buchpreis 2014), Ursula Kirchenmayer (2. Preisträgerin im MDR-Wettbewerb 2012) und von Sannah Jahncke (Jahrgang 1989), Dilek Güngör (Jahrgang 1972) und Jan Fischer (Jahrgang 1983). Unterhaltung und Entdeckungen sind garantiert.
Autorenportrait
Der Herausgeber Michael Hametner studierte Journalistik in Leipzig, arbeitete zunächst als Schauspieler und Regisseur und war Leiter des Theaters der Leipziger Universität. Anfang der 1990er Jahre begann er als freier Mitarbeiter beim Mitteldeutschen Rundfunk, wo er seit 1994 als Literaturredakteur tätig und heute unter anderem für den 1995 gegründeten MDR-Literaturwettbewerb verantwortlich ist.
Leseprobe
WAS IST EINE GUTE KURZGESCHICHTE? Vorwort von Michael Hametner (Auszug) In diesem Band finden Sie 25 Beispiele für gute, gelungene Kurzgeschichten. Aber kann ich deshalb sagen, was eine gute Kurzgeschichte ausmacht? Seit 19 Jahren bin ich durch den MDR-Literaturwettbewerb dieser Form auf der Spur - dies ist die 19. Jahresauswahl mit den besten Kurzgeschichten aus dem Wettbewerb -, aber weiß ich deshalb mit letzter Sicherheit, wonach ich bei der Auswahl suchen muss? Mit letzter Sicherheit weiß man in der Kunst gar nichts, aber Anhaltspunkte gibt es, denke ich. - Eine gute Kurzgeschichte ist keine Fingerübung. Es wird ja oft den Anfängern leichtfertig geraten: Vor dem Roman schreib ein paar Kurzgeschichten als Fingerübung. Oh, Mann beziehungsweise Frau, das ist ein Irrtum. Ist der kurze Brief nicht schwerer zu schreiben als der lange, wo nichts den Schreibfluss bremst? Kürze bedeutet, nicht alles, auch nicht mit anderen Worten, doppelt sagen, Unwichtiges weglassen, Wichtiges andeuten. So nähern wir uns durchaus einer guten Kurzgeschichte, darin wird Ähnliches wie beim kurzen Brief verlangt: verschlucken, verknappen, verdichten. Nur das Nötigste zu sagen, ist schwer. Wer es als Schriftsteller gewohnt ist, im Wald alle Bäume beim Namen zu nennen, ist in dieser Form falsch. Hier ist es der Wald und der schweigt in der Regel oder steht dunkel. Damit scheint eines klar: Die Kurzgeschichte verlangt vom Schreiber Disziplin. Was sie automatisch vom Gedanken, eine Fingerübung zu sein, freispricht. Für die Kurzgeschichte wird Übung gebraucht. Sie ist eine strenge Form. Wer als Schriftsteller keine strengen Formen mag, ist bei der Kurzgeschichte falsch. - Die Einen sagen: Eine gute Kurzgeschichte ist ein verschenkter Roman. Welcher Schriftsteller hat etwas zu verschenken? Was bedeutet: ein verschenkter Roman? Es bedeutet, dass der Autor ein stoffliches und gedankliches Volumen in der Hinterhand haben muss, das für einen Roman ausreichte. Zum Beispiel Figuren, die nicht nur einen Namen tragen, sondern ein ganzes Leben besitzen. Das kann nicht in aller Vollständigkeit in der Kurzgeschichte ausgebreitet werden, tritt aber in dem einen oder anderen Satz hervor. Der Autor benutzt nur, was er für die Geschichte braucht, lässt aber hier und da spüren, dass er mehr weiß. Nur so hat der Leser das Gefühl, hier ist etwas verknappt und verdichtet. Die gute Kurzgeschichte gleicht einer Instant-Tablette: Wirft man sie ins Wasser, nimmt es einen ganz besonderen Geschmack an. . (Auszug aus dem Vorwort)