Beschreibung
MANJA ist die Geschichte von fünf Kindern und ihren Familien in den Jahren 1920 bis 1934. Das Mädchen Manja und die vier Jungen entstammen verschiedenen Milieus: Karl einer klassenbewussten Proletarierfamilie, Heini dem liberalen Bürgertum, Franz dem Kleinbürgertum, Harry dem reichen Großbürgertum und Manja einer armen Einwandererfamilie aus Polen.
Die Freundschaft dieser Kinder, die sich in einem verlassenen Mauergrundstück am Stadtrand eine eigene Welt erschaffen haben, wird 1933 auf eine harte Probe gestellt. Manja und Harry sind plötzlich nicht mehr "rasserein", und die Probleme der Erwachsenen, die sich für oder gegen Hitler entscheiden, drohen die Welt der Kinder zu zerstören.
Autorenportrait
Anna Gmeyner, 1902 in Wien geboren, gehörte um 1930 zur literarischen Avantgarde. Ihre Theaterstücke "Heer ohne Helden" und "Automatenbüffet" wurden bis 1933 mit Erfolg in Deutschland gespielt.
Das Exil führte sie über Paris nach England. Sie schrieb Filmdrehbücher und Romane, in späteren Jahren nur noch auf Englisch. Anna Gmeyner starb 1991 in York.
Manja erschien 1938 im Querido-Verlag (Amsterdam) und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Leseprobe
Der Augenblick, der spiegelnd gewesen war wie ein Kristall, in dem sich alles Licht hält und mehrt, war mit einem Mal flach und trübe. Die Mauer war nicht mehr ein Riff, an dem sich ohnmächtig die Flut des Geschehens brach. Das Wasser stieg, kam von allen Seiten und überschwemmte das Riff.Manja war nicht da, nur das zerfetzte Tüchlein, das sie an die kleine Birke gebunden hatte, die auf der Mauer wuchs. Es war nass vom Regen von vier Nächten.Und plötzlich wussten die Kinder gar nicht mehr, warum sie hergekommen waren, unverabredet, mittwochabends wie sonst, als sei an der Mauer das, was sie suchten.Wie kleine Tiere waren sie gewesen, die beieinander Wärme suchen. Nun war der gute Katzenkorb der Kindheit umgeworfen, und sie konnten nicht wieder hineinklettern.Sie waren jeder ganz allein, obgleich sie noch nahe beieinandersaßen, als ob Berührung schon Hilfe wäre und Schutz. Aber das "Wir" und "Uns" und "Miteinander" war auf einmal wie ausgewachsene Kinderkleidchen, eng, abgetragen und gestrig.Es war schwer zu begreifen, dass der gleiche Trieb, der sie hierhergeführt hatte, sodass sie an dem dunklen kalten Abend auf der Mauer saßen wie Spatzen auf einem Draht, sie nun auseinanderscheuchte. Und doch war es so. Es half nichts, sich dagegen zu wehren. Es war gekommen, wie Sommer und Winter kamen und Abend und Regen, ob man sie wollte oder nicht.Sie verstanden, jeder auf seine besondere Weise, dass sie einander nur halten konnten, wenn sie sich losließen, nur beisammenbleiben, wenn sie sich trennten.So umhüllte sie, bevor jeder zurückging in sein eigenes Leben, der unverminderte Glanz des Verlorenen, entzog sich dem Zugriff der zermahlenden Tage, war noch einmal ein unzerstörbares Bild und ein tröstendes Licht im Augenblick, da sie es losließen und nicht mehr mit klammernden Kinderfingern packten.Sie sagten nicht wie sonst: "Also nächsten Mittwoch oder Samstag", und gingen still über die dunklen regenfeuchten Wiesen auseinander.An der Birke hing Manjas kleines Tuch.
Inhalt
ENDE ALS VORSPIEL
ERSTER TEIL
Fünf Nächte
Vater gesucht
Unerwünschter Vater
Spaziergang in die Zukunft
Ehre und Erbe
Der andere Erbe
Mütter und Kinder schreien
Kampf um ein Leben
ZWEITER TEIL
Frieda und die Inflation
Spuk im Tabaksqualm
Luftschlösser und Fleischhauer
Rache im Heu
Der Mann auf der Brücke
Verkettungen
Umzug
Tagebuch
ZWISCHENSPIEL
Fünf Kinder an der Mauer
DRITTER TEIL
Laterna Magica 1933
Leierkastenlieder
Opfergang
Erdbeerpudding und Liebe
Verzauberter Wald
Nicht zum Thema gehörig
Begegnung mit der Einsamkeit
Freundschaft unter Druck
Kampf um die Oase
VIERTER TEIL
Der umgeworfene Käfer
Nachtmusik
Quadrille auf dunklem Boden
Ein Weg im Herbst
Spur der Schnecke
Katakomben
Das Öl der Olive
Manja an der Mauer
NACHSPIEL
NACHWORT von Heike Klapdor
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