0

Fremde Heimat

Die Geschichte von Sacharja

Erschienen am 15.01.2014
Auch erhältlich als:
12,00 €
(inkl. MwSt.)

Lieferbar innerhalb 24 Stunden

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783868274233
Sprache: Deutsch
Umfang: 448 S.
Format (T/L/B): 3.7 x 20.5 x 13.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Babylon ist Sacharjas ganze Welt. Doch als König Kyros dem jüdischen Volk die Rückkehr ins Land seiner Väter erlaubt, beginnt für den jungen Sacharja das Abenteuer seines Lebens. Zusammen mit seinen Großeltern und seiner Jugendfreundin Yael macht er sich auf den Weg nach Jerusalem. Fern von Babylons Schönheit und Reichtum müssen die jüdischen Heimkehrer ganz neu beginnen - in einem unwirtlichen Land und unter Menschen, die sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Wird es ihnen gelingen, den Tempel wieder zu errichten und sich ein neues Leben aufzubauen? Lynn Austin webt einen farbenprächtigen, filigranen biblischen Hintergrund, auf dem die Hauptpersonen so zur Geltung kommen, dass wir uns mit ihren Hoffnungen und Träumen, mit ihren Siegen und Niederlagen identifizieren können. Eine epische, ergreifende Erzählung von Kämpfen, Leid und Glück eines Volkes, das Gott dienen will.

Produktsicherheitsverordnung

Hersteller:
Francke-Buch GmbH
Stefan Jäger
info@francke-buch.de
Am Schwanhof 19
DE 35037 Marburg

Autorenportrait

Lynn Austin ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Illinois. Ihre große Familie, die vier Generationen umfasst, ist ebenso Aufgabe wie Inspiration für sie. Wenn ihr nach dem Tagesgeschäft noch Zeit bleibt, ist sie als Vortragsreisende unterwegs und widmet sich der Schriftstellerei.

Leseprobe

1 Iddo erwachte keuchend aus seinem Traum. Der Albtraum hätte ihn beinahe verschlungen. Er hörte die besänftigende Stimme seiner Frau und fühlte, wie ihre Hand sich auf seine Brust legte, als wollte sie sein hämmerndes Herz beruhigen. Schhh Es war nur ein Traum, Iddo. Nur ein Traum Aber es war kein Traum, oder jedenfalls nicht die Art Traum, wie andere Menschen sie hatten, wenn sie schliefen - verwirrende Visionen, die bei Tageslicht keinen Sinn ergaben. In Iddos Träumen durchlebte er wieder die alten Erinnerungen, kraftvolle Szenen, so lebendig wie an dem Tag, an dem er sie als Kind mit angesehen hatte. Die Bilder und Geräusche und Schrecken hatten sich in seine Seele eingegraben wie die Spitze eines Griffels, die in weichen Lehm gedrückt wird. Der Ofen des Leidens hatte sie verhärtet, sodass sie nie mehr ausradiert werden konnten. Er holte zitternd Luft und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um die Tränen aus seinen Augen zu wischen. Es tut mir leid, Dina, flüsterte er. Es tut mir leid Geht es wieder?, fragte sie. Ich mache dir etwas Heißes zu trinken. Er legte eine Hand auf ihren Arm, um sie zurückzuhalten. Nein, bleib liegen. Wir müssen doch nicht beide wach sein. Iddo erhob sich von ihrem gemeinsamen Lager und tastete im Dunkeln nach seinem Gewand. Er würde jetzt sowieso nicht mehr schlafen können. Während des Tages konnte er die Bilder, die wie lauernde Schakale am Rand seines Bewusstseins kreisten, in Schach halten, indem er zum Himmel mit seinen Wolken hinaufsah oder darüber staunte, wie vollkommen der winzige Finger seines Enkels war. Aber nachts, wenn das Dunkel die Schönheit des Schöpfers verbarg, stürzten die Bilder und Geräusche auf Iddo ein, ohne dass er sie zum Schweigen bringen konnte. Wenn sie angriffen, nahmen sie ihm alles, was er erreicht hatte, und zerrten an dem Mann, der er jetzt war. Er wurde wieder zu dem zehnjährigen Jungen, der mit ansehen musste, wie Jerusalem in die Hände der Feinde fiel - hilflos, starr vor Angst, nackt und zitternd. Siebenundvierzig Jahre waren verstrichen, seit er den echten Albtraum erlebt hatte, und diese Jahre hatte Iddo hier in Babylon verbracht. Er hatte eine Frau, Kinder, Enkel - alle hier geboren. Doch die Gräueltaten, die er in Jerusalem gesehen hatte, waren noch genauso lebendig wie die Welt, in der er jeden Morgen aufwachte. Der Albtraum verblasste nie und wurde niemals unscharf. Er wartete, bis sein Herzschlag sich beruhigte und sein Atem regelmäßiger ging, dann schlurfte er zur Tür. Er öffnete und schloss sie lautlos, damit er nicht die Bewohner seines Haushaltes aufweckte. Draußen in seinem dunklen Hof ließ er den Blick über die vertraute Silhouette der Lehmziegelhäuser in seinem Viertel und die stacheligen Dattelpalmen gleiten, die am Ufer des Kanals wuchsen. Er hob das Kinn, um zu beobachten, wie die Sterne hinter den phantasievollen Formen der Nachtwolken verschwanden und dann wieder auftauchten. Ich blicke zum Himmel und sehe, was deine Hände geschaffen haben, flüsterte er, den Mond und die Sterne - allen hast du ihre Bahnen vorgezeichnet. Was ist da schon der Mensch, dass du an ihn denkst? Die Psalmen König Davids waren für ihn wie eine Waffe, die er benutzte, um die Schakale der Angst zu vertreiben. Das Unheil, das Jerusalem zerstört hatte, war die Strafe des Allmächtigen. Alle Propheten hatten es gesagt. Gott wohnte nicht länger bei seinem Volk, weil es ihm untreu gewesen war. Sein Tempel war zerstört, sein Volk war in alle Himmelsrichtungen verstreut und lebte unter heidnischen Göttern. Iddos einzige Hoffnung, die einzige Hoffnung seiner Familie, lag darin, Gottes Gesetz zu studieren, sein Herz und seinen Verstand mit der Thora zu füllen und an jedem Tag seines Lebens jedes Wort davon zu befolgen. Wenn er den Gott seiner Väter mit aller Kraft suchte, würde der Heilige vielleicht gnädig sein und zu seinem Volk zurückkehren. Iddo schauderte in der kühlen Herbstluft, während er darauf wartete, dass der nächtliche Friede seine Seele erfüllte. Aber anstelle der tiefen Stille, nach der er sich sehnte, hörte er immer noch die Laute seines Albtraums: ein leises Grollen wie von Hunderten marschierender Füße, entfernte Schreie und Rufe oder war das nur das Kreischen der Vögel? Iddo hatte viele Nächte wachend verbracht, aber noch nie waren die Geräusche aus seinen Träumen so nachgeklungen. Bildete er sich Dinge ein? Er stieg die Außentreppe zum Flachdach hinauf und blickte über die Stadt hinaus. Lichter tanzten in der Ferne wie Sommerblitze - doch es konnten keine Blitze sein. Der Sternenhimmel erstreckte sich über der Ebene von einem Horizont zum anderen und die nächtlichen Wolken waren federleicht. Eine plötzliche Bewegung auf der Straße unter ihm erregte seine Aufmerksamkeit und er blinzelte in das Dunkel hinunter. Sein Nachbar Mattania stand dort, die Hände in die Hüften gestemmt, und starrte auf das Zentrum von Babylon. Neben ihm stand ein anderer Nachbar, Joel, der wie Iddo von den Tempelpriestern abstammte. Konnten sie die Geräusche auch hören? Iddo eilte hinunter und durch das Hoftor auf die Straße hinaus. Die beiden Männer wandten sich um, als sie seine Schritte hörten. Hat der Lärm dich auch geweckt?, fragte Mattania. Was ist das? Was ist dort los? Wir wissen es nicht, sagte Joel. Die Babylonier feiern heute irgendein Fest zu Ehren ihrer heidnischen Götter, aber mein Sohn Reuben fand, dass es eher nach marschierenden Soldaten klingt. Ja das dachte ich auch, sagte Iddo. Wir fragen uns, ob die Armeen der Meder und Perser die Stadt angegriffen haben könnten, sagte Mattania. Joel schüttelte den Kopf. Damit werden sie niemals Erfolg haben. Die Tore Babylons sind schwer befestigt und die Stadtmauern sechs Meter dick. Da kommt keiner durch! Aber Iddo erinnerte sich an die eingestürzten Mauern Jerusalems und ihn fröstelte. Mein Sohn ist losgegangen, um nachzusehen, fuhr Joel fort. Wir warten darauf, dass er zurückkommt. Iddo stand neben seinen Nachbarn und lauschte den entfernten Klängen, während sie sich leise unterhielten und auf Reubens Rückkehr warteten. Als der junge Mann endlich nach Hause gelaufen kam, mit gerötetem Gesicht und ganz außer Atem, erhellte ein Bogen aus rosafarbenem Licht den Horizont im Osten. Du wirst es nicht glauben, Abba! Ich bin den ganzen Weg bis zum Platz am Ischtar-Tor gelaufen: Die Straßen rund um den südlichen Palast sind voll mit Soldaten. Es sind Tausende! Babylonische Soldaten?, fragte Iddo. Nein. Solche babylonischen Soldaten habe ich jedenfalls noch nie gesehen. Dann ist es eine Invasion!, sagte Mattania. Das kann nicht sein. Wie sollte der Feind unsere Mauern bezwingen?, fragte Joel. Ich glaube, ich weiß, wie, sagte Reuben. Ich bin auf dem Heimweg dem Fluss gefolgt und das Wasser war nur so hoch Er zeigte auf die Mitte seines Oberschenkels. Die Soldaten könnten unter der Mauer hindurch in die Stadt gewatet sein, mit dem Fluss als Straße sozusagen - wie bei der Geschichte in der Thora, als das Wasser sich für das Volk teilte, wisst ihr noch? Eine Invasion. Iddo wandte sich wortlos ab und eilte zurück in seinen von Mauern umgebenen Hof. Er schloss das hölzerne Tor hinter sich und lehnte sich dagegen. Er musste immer noch träumen. Er war anscheinend doch noch nicht aus seinem Albtraum erwacht. Jeden Augenblick würde Dina ihn rütteln und dann würde er aufwachen. Er schloss die Augen, während er langsam einatmete, dann öffnete er sie wieder. Er war noch immer im Hof und hörte das entfernte Poltern marschierender Füße. Wenn das kein Traum war, dann hatten zum zweiten Mal in Iddos Leben Soldaten die Stadt überfallen, in der er lebte. Sein Albtraum war noch einmal Wirklichkeit geworden. Er ging ein paar unsichere Schritte auf sein Haus zu, dann blieb er stehen und drehte sich hilflos um die eigene Achse, wie ein Tier, das in einer Grube gefangen ist. Er musste fliehen, musste mit seiner Frau und seiner Familie entkommen. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht konnten sie aus der Stadt waten und sich jenseits der Mauer...

Andere Kunden kauften auch